Cannabis-Entkriminalisierung light

Fachleute kritisieren Ampel-Pläne zur Teillegalisierung aus verschiedenen Richtungen

  • dpa/nd
  • Lesedauer: 3 Min.

Knapp zwei Monate vor der geplanten Cannabis-Freigabe in Deutschland zeigen Stellungnahmen von Fachleuten aus Polizei, Justiz, Suchthilfe und Medizin noch einmal deutlich, wie umstritten die Pläne weiterhin sind. Am Montagabend sollten Expertinnen und Experten bei einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Parlaments noch einmal ihre Standpunkte erläutern. Ihre Einschätzungen lagen vorab vor.

Der Gesetzentwurf der Ampel sieht vor, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Für Volljährige ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen. In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

Abgelehnt von mächtigen Verbänden

Einflussreiche Verbände wie die Bundesärztekammer, der Deutsche Richterbund, die Gewerkschaft der Polizei und medizinische Fachgesellschaften stemmen sich weiterhin gegen das Vorhaben. Der Richterbund äußert »erhebliche Bedenken« und rechnet wie auch Vertreter der Polizeigewerkschaften mit mehr Arbeit für Strafverfolgungsbehörden und Justiz, da die Vorgaben für die künftigen Cannabis-Clubs und zu Anbau und Abgabe der Droge auch überwacht und Verstöße geahndet werden müssten. Befürchtet wird auch, dass der Schwarzmarkt sogar größer wird, da die Herkunft der 25 Gramm, die man besitzen darf, nicht nachgewiesen werden muss.

Die Bundesärztekammer wiederum sieht »eine relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation«. Sie rechnet mit einer Zunahme des Konsums und damit zusammenhängenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Problemen. Ähnlich sehen es Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendmedizin und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie hält die geplante Altersgrenze für den Zugang zu Cannabis mit 18 Jahren für zu niedrig, »da die Gehirnentwicklung in der Regel bis Mitte 20 noch nicht abgeschlossen ist«. Bis dahin solle die Droge unter anderem wegen eines erhöhten Psychoserisikos nicht konsumiert werden.

Befürworter: Strafrecht entlastet

Auf der anderen Seite stehen Befürworter des Vorhabens. »Eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum ist nicht mehr zu rechtfertigen«, heißt es etwa von der »Neuen Richtervereinigung«. Der Konsum sei trotz aller Verbotsbemühungen weit verbreitet. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt die teilweise Freigabe »ausdrücklich«. Er sieht dadurch das Strafrecht entlastet. Vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg heißt es, das Gesetz erkenne in erster Linie »gesellschaftliche Realitäten« an. 2021 habe etwa jeder Zehnte im Alter von 18 bis 59 mindestens einmal im Jahr Cannabis konsumiert.

Der von der SPD eingeladene Strafrechtsprofessor Mustafa Temmuz Oğlakcioğlu geht im Gegensatz zum Richterbund von einer Entlastung der Behörden aus. »Allein die schiere Anzahl von zuletzt über 180 000 konsumbezogenen Cannabis-Verfahren pro Jahr bindet offenkundig erhebliche Ressourcen«, schreibt er in seiner Stellungnahme.

Die Bundespsychotherapeutenkammer weist auf die Gefahren des Konsums bei unter 25-Jährigen hin, sieht aber in der Altersgrenze von 18 Jahren und der Vorgabe, dass Cannabis-Clubs nur weniger potentes Cannabis an unter 21-Jährige abgeben dürfen sollen, als »guten Kompromiss«. Die Risiken seien vertretbar, zugleich werde verhindert, dass Cannabis-Gebrauch von Jugendlichen zu lange verheimlicht werde.

Nach der Expertenanhörung muss der Bundestag das Gesetz noch beschließen. Das war bislang für die vorletzte Sitzungswoche des Jahres Ende November geplant. Eine Zustimmung des Bundesrates ist laut Bundesgesundheitsministerium nicht nötig. Auf dessen Internetseite heißt es, das Inkrafttreten des Gesetzes sei für Anfang 2024 vorgesehen. Ob der Zeitplan zu halten sein wird, ist aber offen. Parallel läuft eine Kampagne des Ministeriums, die vor den Gesundheitsgefahren des Cannabis-Konsums warnt und sich vor allem an junge Leute wendet.

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