Im Gazastreifen könnte ein Häuserkampf bevorstehen

Israel will die Sicherheit im Gazastreifen übernehmen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Palästinenser fliehen mit einer weißen Fahne auf der Salah Al-Din Straße aus Gaza-Stadt in den südlichen Gazastreifen. Etliche Bewohner des Gazastreifens sind israelischen Informationen zufolge am Dienstag mit weißen Fahnen in der Hand in den Süden des Küstengebiets geflohen.
Palästinenser fliehen mit einer weißen Fahne auf der Salah Al-Din Straße aus Gaza-Stadt in den südlichen Gazastreifen. Etliche Bewohner des Gazastreifens sind israelischen Informationen zufolge am Dienstag mit weißen Fahnen in der Hand in den Süden des Küstengebiets geflohen.

Israel will sich nach Ende des Krieges mit der islamistischen Hamas selbst um die Sicherheit im Gazastreifen kümmern. Das erklärte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einem Interview mit dem US-Sender ABC: »Denn wenn wir die Kontrolle über die Sicherheit nicht haben, wird der Terror der Hamas in einem Ausmaß ausbrechen, das wir uns nicht vorstellen können.«

Netanjahus Ankündigung kommt überraschend. US-Außenminister Antony Blinken hatte mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Möglichkeit erörtert, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Verwaltung im Gazastreifen übernimmt. Dies wäre mit Netanjahus Vorstoß vom Tisch. Unklar bleibt, wie Israel die »Sicherheit« im Gazastreifen gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen will. Mit erneuter Besatzung?

Derweil rücken die israelischen Streitkräfte tief in den Gazastreifen vor. Bodentruppen seien bereits in der Stadt Gaza im Einsatz. Die Streitkräfte hätten den Gazastreifen in zwei Hälften geteilt und die Stadt vollständig eingekreist. Was nun folgen könnte, ist ein blutiger Häuserkampf in einer dicht besiedelten Umgebung, wo etwa 2,2 Millionen Menschen leben. Wie viele Menschen dabei sterben würden, mag man sich nicht ausmalen.

Eine längere Feuerpause schloss Netanjahu vorerst aus. »Ohne die Freilassung der Geiseln wird es keine allgemeine Feuerpause im Gazastreifen geben«, sagte Netanjahu dem Sender ABC. »Was taktische Pausen angeht – eine Stunde hier, eine Stunde dort – können wir die Umstände prüfen, um humanitäre Güter hineinzubringen und einzelne Geiseln herauszubringen.«

Eine allgemeine Waffenruhe steht nach Einschätzung Netanjahus den Kriegszielen Israels entgegen. »Das würde unsere Bemühungen behindern, unsere Geiseln zu befreien, denn das Einzige, was diese Kriminellen der Hamas verstehen, ist der militärische Druck, den wir ausüben«, sagte er weiter.

Seit Beginn des Kriegs sind im Gazastreifen nach UN-Angaben 70 Prozent der Bevölkerung vertrieben worden. Notunterkünfte seien teils mit dem Vierfachen ihrer Kapazität überbelegt. Die Zustände seien unmenschlich und verschlechterten sich jeden Tag weiter. In einer Unterkunft stünden pro Person weniger als zwei Quadratmeter zur Verfügung. Mindestens 600 Menschen würden sich dort eine Toilette teilen. Deutschland hat seine Entwicklungszusammenarbeit mit dem UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNWRA) wieder aufgenommen, gab Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bekannt.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, will in die Krisenregion im Nahen Osten reisen. Er werde sich unter anderem in Ägypten und Jordanien über die Menschenrechtssituation in der Region austauschen, teilte sein Büro mit. So werde sich der österreichische UN-Diplomat in Kairo mit dem Außenminister Ägyptens sowie Vertretern regionaler Organisationen und dem Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten treffen. Am Mittwoch will Türk den Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten besuchen.

Vor dem Hintergrund der lauter werdenden Forderungen nach Kampfpausen im Gazastreifen beraten die G7-Außenminister bei einem zweitägigen Treffen in Tokio über eine gemeinsame Linie im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas. Bei ihrer Ankunft in Japan sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag, sie werbe angesichts des Leids der Zivilbevölkerung in dem Palästinensergebiet »intensiv für humanitäre Feuerpausen«.

In den vergangenen Tagen habe sie mit unterschiedlichen Partnern erörtert, wie diese Pausen »zeitlich und geografisch« auf den Weg gebracht werden könnten. Zugleich betonte Baerbock die Unterstützung der G7-Länder für das Selbstverteidigungsrecht Israels. Das Land habe das Recht und die Pflicht »im Rahmen des internationalen Völkerrechts« seine Bevölkerung zu schützen.

US-Außenminister Antony Blinken wollte laut Angaben eines hochrangigen Vertreters seines Ministeriums die G7-Außenminister bei dem Treffen über die Ergebnisse seiner jüngsten Nahost-Reise sowie die »Fortschritte bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen und die Bemühungen zur Eindämmung des Konflikts« informieren. Mit Agenturen

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