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  • 85 Jahre Novemberpogrom

9. November: Als die Synagogen brannten ...

Die Schrittfolge deutsch-faschistischer Judenfeindschaft: Entrechtung, Enteignung, Ermordung

Wenn man mit Überlebenden der Shoah spricht, ist man überrascht, wie stark sich in ihrem Gedächtnis vor allem der sich in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 in Hunderten deutschen Städten bietende Anblick respektive die um die Welt gehenden Bilder von in Flammen stehenden Synagogen eingeprägt haben. Die Mehrheit der Deutschen vermochte sich hingegen nach dem Krieg daran nicht zu erinnern. Selbst wenn man damals den Feuerschein am großstädtischen Himmel und das Grölen der marodierenden SA-Männer nicht wahrgenommen haben sollte, konnte man in den Zeitungen lesen, wie sich der »Volkszorn« gegen die Juden entladen habe. Zudem qualmten die Ruinen der Synagogen noch Tage hernach, gingen die Übergriffe auf jüdische Einrichtungen, Wohnungen und Kanzleien weiter.

Nur wenige Synagogen sind in jener Brandnacht verschont geblieben. Zumeist nur, weil sie sich, zwischen Mietskasernen gezwängt, in belebten Vierteln befanden wie etwa die Synagoge in der Rykestraße im Berliner Prenzlauer Berg, die größte in Deutschland. Die Gefahr eines Übergreifens des Feuers auf die Wohnhäuser schien sogar dumpf-dummen SA-Männern zu riskant, die ansonsten keine Skrupel kannten in jener »Reichskristallnacht«, wie die Zerstörungswut gegen jüdische Gottes- und Gemeindehäuser im NS-Jargon euphemistisch genannt wurde. Barbarischer Plünderung entging auch die Synagoge in der Rykestraße nicht, die später als Pferdestall und Lagerhalle für die Wehrmacht missbraucht wurde. Rabbiner und Gemeindemitglieder wurden ins KZ Sachsenhausen deportiert. Bereits im Sommer 1945 fand in der Synagoge die erste jüdische Trauung nach der Shoah statt – Zeichen jüdischer Selbstbehauptung. Im August 1953 wurde das Gotteshaus, renoviert, feierlich wieder eingeweiht.

Die ein halbes Jahrhundert ältere, prächtige Neue Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlins Mitte mit der vergoldeten Kuppel war im Novemberpogrom 1938 ebenfalls Opfer einer SA-Attacke. Dem beherzten Vorsteher eines nahe gelegenen Polizeireviers, Wilhelm Krützfeld, war es zu danken, dass sie nicht in Flammen aufging. Er stellte sich den Brandstiftern entgegen. Die DDR-Führung beschloss den Wiederaufbau des 1943 von Bomben getroffenen Gotteshauses zum 50. Jahrestag des Novemberpogroms, das die Nazis gewiss nicht von ungefähr zu Luthers Geburtstag veranstalteten. Die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum versteht sich als Kultur- und Begegnungsstätte, Museum wie Forschungseinrichtung, Stätte der Pflege und Bewahrung jüdischer Kultur.

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Am vergangenen Sonntag wurde hier an ein vergessenes Pogrom vor 100 Jahren erinnert. Am 5. November 1923 zog ein von rechten Demagogen aufgestachelter antisemitischer Mob durch das Berliner Scheunenviertel, plünderte Geschäfte und Wohnungen, pöbelte und verprügelte Juden und Jüdinnen, die vornehmlich aus Osteuropa stammten, vor dortigen Pogromen geflohen waren. Die Polizei schaute tatenlos zu. Hier tobte sich im Hyperinflationsjahr, wie so oft, blinde Wut aus, die Sündenböcke brauchte. Es war der mutigen Gegenwehr jüdischer Kriegsveteranen zu danken, dass es nicht zum Blutbad kam. Prolog zum Novemberpogrom anderthalb Jahrzehnte später? Jedenfalls Beleg dafür, dass der Antisemitismus der Nazis nicht aus dem Nichts kam, geistige wie tätliche Vorläufer hatte, auch in der Weimarer Republik. Ergo: Demokratie feit nicht per se vor Hass und Inhumanität.

Von »Wahn und Kalkül« sprach der Berliner Faschismusforscher Kurt Pätzold, die Verquickung von Ideologie und wirtschaftlichen Interessen hervorhebend. Fakt ist: Die Marktmacht fast aller großen bundesdeutschen Konzerne beruht auf der Entrechtung, Enteignung und Ermordung der Juden unterm Hakenkreuz. Gerechtigkeit den Opfern hieße, sie zu enteignen.

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