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Bangladesch: Nähen für den neuen Trend
Lakshmi Thevasagayam über Näherinnen in Südasien
In Zeiten der uns überrollenden Krisen flüchten wir uns gerne ins Shopping, in das schnell geklickte Glück. Ein neues Oberteil, die Trend-Jeans und der neue Mantel lassen uns nicht nur gut aussehen, sondern geben uns ein Gefühl, dass wir in uns und unser Selbstwertgefühl investiert haben. Aber zu welchem Preis tun wir das?
Bis in die 60er Jahre wurde etwa 95 Prozent unserer Kleidung in den Ländern hergestellt, wo sie getragen wurden. Das ist heute anders. Ein Großteil der westlichen Mode wird in sogenannten Billiglohnländern produziert. Und aus zwei Modesaisons sind heute über 50 geworden – fast jede Woche kann man einen neuen Trend entdecken und ihn fix bei den großen Ketten für immer weniger Geld kaufen. Dabei werden die Kosten, die bei der Produktion entstehen, nicht weniger, sondern ständig mehr.
Wir erinnern uns vielleicht noch an das Einstürzen der Rana-Plaza-Textilfabrik im April 2013, eines achtstöckigen Gebäudes außerhalb von Dhaka in Bangladesch. 1134 Näherinnen wurden durch das marode einstürzende Gebäude in den Tod gerissen. Das Ekelhafte daran: Die Mitarbeiter hatten dem Management Risse im Fabrikgebäude gemeldet. Es passierte: nichts. Nach dem Einsturz gab es im Westen einen kurzen Aufschrei über das Ausmaß des Leids. Danach wurde fleißig weiter geshoppt.
Lakshmi Thevasagayam ist Ärztin, Klima- und Gesundheitsaktivistin und engagiert sich in der Antikohlebewegung.
Diese schnelllebige Art des Konsums hat seine Wurzeln in der Versklavung von Afrikanerinnen auf den Baumwollplantagen Amerikas. Die maximalisierte Baumwollenproduktion beutete nicht nur mehr Menschen aus, sondern auch das Land, welches jetzt nur noch mit Pestiziden und Samen globaler Konzerne bestellt werden kann. Das zwingt die heutigen Bäuerinnen in eine Abhängigkeit. Die Sklaverei des kolonialen Kapitalismus auf den Baumwollplantagen setzt sich auf ähnliche Art und Weise in Bangladesch fort – nur auf höher Produktionsstufe. Viele Kinder kommen behindert auf die Welt, weil das Trinkwasser verschmutzt ist. Jedes Jahr nehmen sich 5000 indische Bauern das Leben.
Nach dem Rana-Plaza-Vorfall wurden 2700 Näherinnen als Gewerkschafterinnen geschult. In der Praxis stößt diese Maßnahme jedoch an Grenzen: Obwohl die Regierung das Recht auf Versammlungsfreiheit gestärkt hat, kommt es weiterhin zu Entlassungen und Angriffen bei Demonstrationen. Und dennoch haben die Näherinnen aus Bangladesch sich jetzt zusammengetan: Seit rund einer Woche besetzen sie ihre Fabriken und streiken für eine Verdoppelung des Lohns. Auch an ihnen ist die Erhöhung der Energie- und Lebensmittelkosten seit dem Ukraine-Krieg nicht vorbeigegangen.
Eine Näherin bekommt momentan umgerechnet etwa 80 US-Dollar im Monat. Das aktuelle Angebot der Konzerne, die dort produzieren, beträgt 113 US-Dollar. Das aber lehnen die Arbeiterinnen ab. Sie brauchen 209 US-Dollar, um über die Armutsgrenze zu kommen. Die Textilkonzerne könnten eine solche Lohnerhöhung locker finanzieren, wenn sie jedes Kleidungsstück nur 10 bis 15 Cent teurer machen würden. 80 Prozent der Exporte Bangladeschs sind abhängig von diesen Arbeiter*innen. Deswegen geht auch der Staat massiv gegen die Streiks vor.
Die Angst ist groß, dass Firmen abwandern und ihre Produktion in andere Länder verlagern. Für europäische Firmen ist Osteuropa nicht nur aufgrund der kurzen Transportwege attraktiv, sondern auch, weil die dortigen Löhne niedrig sind. Laut der Kampagne für saubere Kleidung beträgt der Mindestlohn in der Textilbranche beispielsweise in der Ukraine 80 Euro, in Rumänien 133 Euro und in Bulgarien 139 Euro – und deckt damit jeweils nur einen Teil des geschätzten Existenzminimums ab.
Das heißt für die Klimabewgung: Wir müssen unsere Kämpfe global denken. In Solidarität mit Streikenden weltweit.
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