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Rebellenoffensive in Myanmar macht Fortschritte

Seit Ende Oktober steht in Myanmars Bürgerkrieg die Militärjunta zunehmend unter Druck

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Erinnerungen kommen derzeit auf an die Situation vor drei Jahren: Im November 2020 fanden die zweiten freien Wahlen seit der Rückkehr des südostasiatischen Landes zur Demokratie statt. Der Urnengang endete mit einem erneut überragenden Mandat für die Nationale Liga für Demokratie (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Die nächste Amtszeit aber durfte deren Team nicht antreten: Unmittelbar vor Konstituierung des Parlaments putschte am 1. Februar 2021 abermals das mächtige Militär unter Armeechef Min Aung Hlaing.

Die faktische Regierungschefin, schon unter der früheren Diktatur mehr als anderthalb Jahrzehnte unter Hausarrest, und nahezu die gesamte frühere Spitzenriege der Politik sitzen nun mit langen Strafen in Haft. Andere sind untergetaucht. Und im Land tobt – nachdem die von demokratischen Abgeordneten kurz nach dem Putsch im Untergrund gebildete Regierung der Nationalen Einheit (NUG) im September 2020 den Volksaufstand gegen das Regime verkündete – ein seither mehrfach verschärfter Bürgerkrieg.

Bürgerkrieg steht vor einer Wende

In diesem deutet sich jetzt eine Wendung an. Zwar kontrollieren regimetreue Kräfte schon länger nur noch 15 bis 25 Prozent des Gesamtterritoriums. Trotz vieler Einzelerfolge der von der NUG gebildeten Volksverteidigungskräfte (PDF) im Bündnis mit lokalen Milizen und Rebellengruppen bleiben aber viele Gebiete umkämpft.

Nur in wenigen Teilregionen haben sich die Oppositionskräfte in den zwei Jahren tatsächlich festsetzen können. Das hat viele Gründe: Schlechte Bewaffnung und nur rudimentäre militärische Ausbildung der bis zum Putsch als Studierende, Grafiker, Krankenschwestern oder Lehrer tätigen Kämpfer*innen spielen ebenso eine Rolle wie die bis dato deutliche Luftüberlegenheit der Junta-Truppen. Regelmäßig bombardiert die Luftwaffe wichtige Stellungen des Widerstands.

Seit dem 27. Oktober hat sich das Lagebild dennoch verändert. An diesem Tag startete die sogenannte Brotherhood Alliance im Norden des Shan State eine groß angelegte Offensive. Die Allianz ist ein Bündnis dreier Rebellengruppen aus den Reihen der 135 in der suspendierten Verfassung anerkannten ethnischen Minderheiten des Landes. Federführend ist die Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) der Kokang, unterstützt von der Ta’ang National Liberation Army (TNLA).

Rebellen mit Großoffensive

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Letztere hat um die 8000 Mitglieder unter Waffen, die MNDAA etwa 6000. Und obwohl sich der Dritte im Bunde, die mächtigen Arakan Army (AA) mit ihrem Hauptkontingent von etwa 20 000 Kämpfern, im heimatlichen Rakhine-Staat bisher noch ruhig verhielt, sind bei der Offensive im Norden etwa 5000 dort tätige AA-Kräfte eingebunden. Inzwischen sollen dem Bündnis, so unabhängige Nachrichtenportale wie »Irrawaddy« und »Myanmar Now« unter Berufung vor allem auf Angaben aus MNDAA-Kreisen, an die 150 Militärbasen des Regimes und sogar sieben kleinere Städte in die Hand gefallen sein.

Das Oberkommando der PDF hatte sich dem Vorstoß umgehend angeschlossen, ebenso die Kachin Independence Army (KIA), eine der stärksten Rebellengruppen, die Karen National Union (KNU) in ihrem Gebiet nahe der thailändischen Grenze, die Karenni Nationalities Defence Forces (KNDF) sowie die von Angehörigen der burmesischen Bevölkerungsmehrheit gebildete Bamar People’s Liberation Army. Neben Teilen des Shan State sind auch weite Gebiete der Region Sagaing in Oppositionshand. Ein Verbindungsweg nach China ist für die Junta unterbrochen, zuletzt nahmen PDF-Kräfte die Kleinstadt Khampat nahe der indischen Grenze ein.

Regimegegner setzen Drohnen ein

Min Aung Hlaing berief am 8. November eine seltene Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein – ein Indiz, wie sehr der Juntachef unter Druck steht. Derweil verkündeten Brotherhood Alliance und Verbündete, die Operation nunmehr landesweit ausdehnen zu wollen. Die Karenni National Peoples Liberation Front (KNPLF), die am 7. November zur Unterstützung ihre eigene »Operation 1107« startete, nahm schon mal im Kayah-Staat zwei Militärbasen ein, die unweit der Grenze zu Thailand liegen.

Entschieden ist damit noch nichts. Aber selbst die festungsartige Hauptstadt rückt inzwischen mittelfristig ins Visier der Regimegegner, die zudem neuerdings Drohnen chinesischer Produktion einsetzen. Ob sogar der Absturz eines Militärjets am 11. November im Kayah-Staat auf ihr Konto geht, ist noch unklar.

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