TVO-Genehmigung: Autoliebe an der Spree

Planfeststellungsverfahren für die Tangentiale Verbindung Ost hat mit Kritik begonnen

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 5 Min.
Überflüssiges Asphaltmonster oder notwendige Maßnahme? Die Tangentiale Verbindung Ost
Überflüssiges Asphaltmonster oder notwendige Maßnahme? Die Tangentiale Verbindung Ost

21 Aktenordner waren nötig, um das Genehmigungsverfahren zum Projekt mit dem sperrigem Namen zu starten. Für die Tangentiale Verbindung Ost (TVO), eine Straße zwischen Köpenick und Marzahn, hat die Verkehrssenatsverwaltung am Dienstagabend bei der zuständigen Verwaltung für Stadtentwicklung ihre Unterlagen eingereicht. Kritik am Projekt gibt es von Linken, Grünen, Umwelt- und ÖPNV-Verbänden. Denn die mindestens 351 Millionen Euro teure Verbindungsstraße könnte nicht nur 15,8 Hektar Wuhlheider Wald zerstören, sondern auch ohne Nahverkehrstangente zur verlängerten Autobahn werden – mit unabsehbaren Kosten und später Fertigstellung.

»Tangential« heißt »eine gekrümmte Fläche oder Linie berührend« und meint im Falle der TVO, dass die östlichen und südöstlichen Bezirke mit dem Berliner Ring im Norden und der A 113 im Süden über eine 7,2 Kilometer lange Straße verbunden werden sollen. Ziel ist es, das Stadtstraßennetz vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Pressesprecherin der Verkehrssenatsverwaltung Britta Elm spricht gegenüber »nd« von einem Ausgleich für die Köpenicker Straße, die Treskowallee und die Straße Am Tierpark. Dies solle durch eine Verbindung der Straßen An der Wuhlheide und Alt-Friedrichsfelde geschehen.

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»Dieses Projekt ist schon viel zu lange in der Planung«, sagte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (SPD) am Dienstag. Die Planung der TVO geht bis in die 60er Jahre der DDR zurück. 2013 wurden Untersuchungen von der Verkehrssenatsverwaltung wieder aufgenommen. Während unter der rot-grün-roten Regierung noch eine Nahverkehrs-TVO vorgesehen war, fehlt sie im Koalitionsvertrag von CDU und SPD.

Der Senat Wegner rechnet für die TVO derzeit mit einem Nutzungspotenzial im Zeitraum bis 2030 von werktäglich 22 000 bis 33 000 Kraftfahrzeugen. Daraus leitet sich ein Bedarf für eine vierspurige Autostraße ab. Ergänzt werden soll sie durch eine Geh- und Radwegverbindung. Auf der Straßenverbindung sollen außerdem Buslinien eingesetzt werden.

Der Änderungsentwurf zum Mobilitätsgesetz der CDU zeigte bereits, dass dem Senat reichlich wenig am Radnetz, ÖPNV, an Spielstraßen oder dem Fußverkehr liegt. Bei den Aussagen Manja Schreiners bezüglich der Anschlussfähigkeit des Projekts wird deutlich, wer wohin angeschlossen werden soll: »Wir verbessern die Erschließung von Gewerbe-, Dienstleistungs- und Innovationsstandorten«, sagte sie am Dienstag. Für den Cleantech Business Park oder den Technologiepark Adlershof kommt die Verbindung gelegen.

Niet- und nagelfest ist das alles noch nicht, dazu dient nun das Planfeststellungsverfahren. Der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte bereits im August Klagen für eine TVO angekündigt. Er sieht in dem Schnellstraßenvorhaben vor allem eine mautfreie Abkürzung als Alternative zur Ringautobahn A 10, spricht sich für eine Nahverkehrs-TVO aus und nennt das Projekt »anachronistisch«. Verständlich angesichts von Meldungen über den Oktober 2023 als weltweit heißesten Monat seit Wetteraufzeichnung.

Bereits im Mai errichteten Klimaaktivist*innen ein Protestcamp nahe der Wuhlheide. Für die einen ist es der Forst mit dem Naturschutzgebiet Biesenhorster Sand, für die anderen ein Erholungspark oder Veranstaltungsort. So oder so: 15,8 Hektar Wald müssten gerodet werden, um die jetzige Planung der TVO umzusetzen. Damit würde auch ein Stück Geschichte der Volksparkbewegung weichen. Der Senat plant Ausgleichsmaßnahmen. Britta Elm spricht gegenüber »nd« von »Gehölzpflanzungen und Artenschutzmaßnahmen« in Trassennähe, trassenfern von »Aufforstungen und Artenschutzmaßnahmen« in Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick. Die Planung der Ausgleichsflächen sei bereits Bestandteil der 21-seitigen Planfeststellungsunterlagen.

Antje Kapek (Grüne) erwartet große Proteste und Klagen für das Projekt, wie sie gegenüber »nd« erklärt. Sie spricht sich wie der BUND für einen Nahverkehrs-TVO aus: »Viele wissen gar nicht, dass es einen äußeren Bahnring gibt, der eine Lücke im östlichen Teil hat. Diese zu schließen, würde ganz Berlin nützen.« Eine Nahverkehrs- statt Autoverkehrstangente könne auch Autofahrer*innen überzeugen: »Die Leute brauchen aktuell 1,5 Stunden von Süd nach Nord. Natürlich steigen sie dann eher ins Auto, natürlich entsteht so Stau, natürlich belastet dies die Umwelt. Es braucht jetzt eine Lösung und nicht erst in zehn bis 20 Jahren.« Derzeit ist unklar, wann das Projekt TVO fertiggestellt werden könnte.

Die Idee einer Nahverkehrstangente stammt ebenfalls aus DDR-Zeiten. Ein zusätzliches Gleispaar auf der östlichen Seite des Berliner Außenrings sollte die Großwohngebiete Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf mit Oranienburg, Buch, Karow, Adlershof, Grünau und Schönefeld verbinden. Die Trasse wurde vom Vorgängersenat freigehalten, doch die neuen Pläne missachten dies und machen eine Nahverkehrstangente nur durch aufwendige Umbaumaßnahmen möglich. »Damit zwingt die TVO die Nahverkehrstangente zu einer Verteuerung von einer halben Milliarde Euro (nach aktuellem Preisstand grob geschätzt), denn bei der Verlegung der Fernbahn geht es nicht nur um zwei neue Gleise, sondern auch um Umbauten aller Verbindungskurven, erhebliche Erdbewegungen, um neue Brücken, Signal-, Bahnstrom-, Entwässerungsanlagen und Lärmschutzwände«, erklärt das Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg in einer Pressemitteilung vom 8. November.

»Es gibt hinreichend Hinweise, dass die Kosten der TVO sich mindestens verdoppeln werden«, mahnt Kapek. Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, berichtet »nd« von einer Bürgerversammlung zur TVO Ende September: »Das Grundproblem besteht darin, dass die Planungen für die TVO seit Jahrzehnten laufen und manche Diskussionsteilnehmer und auch Betroffene erst vor kurzem durch die Besetzung in der Wuhlheide von den Planungen erfahren haben. Man muss konstatieren, dass es große Zustimmung aus Biesdorf gibt, allerdings große Zweifel aus Schöneweide oder Karlshorst, die eher damit rechnen, langfristig durch die TVO mit mehr Verkehr belastet zu werden.«

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