Knesset beschließt mehr Überwachung in Israel

Notstandsregelungen für Zugriff auf biometrische Daten und private Videokameras

Videoüberwachung in Tel Aviv. In Israel dürfen Behörden nun auch private Kameras hacken und Aufnahmen aus der Ferne löschen.
Videoüberwachung in Tel Aviv. In Israel dürfen Behörden nun auch private Kameras hacken und Aufnahmen aus der Ferne löschen.

Das Parlament in Israel hat einem Gesetz zugestimmt, das Sicherheitsbehörden den weitgehenden Zugang zu biometrischen Daten der Einwohner des Landes erlaubt. Eine solche Regelung hatte die Knesset bereits per Dekret im Eilverfahren nach den von der Hamas am 7. Oktober begangenen Massakern beschlossen, um die Identifizierung der Ermordeten und Entführten zu erleichtern. Dazu dürfen auch das Militär und die Geheimdienste die in der Datei gespeicherten Fingerabdrücke und Gesichtsbilder nutzen. Mit dem im beschleunigten Verfahren nun beschlossenen neuen Gesetz gilt diese Erlaubnis für mindestens ein Jahr. Darüber berichtet das in Israel erscheinende Wirtschafts- und Technologiemagazin »Calcalist«.

Israel ist eines der wenigen Länder weltweit, das in einer zentral geführten Datenbank die biometrischen Daten seiner Einwohner erfasst und durchsuchbar macht. Diese Daten stammen aus Anträgen für Reisepässe oder Personalausweise. Antragsteller können dabei wählen, ob nur Gesichtsbilder oder auch Fingerabdrücke in den Dokumenten gespeichert werden sollen. Werden beide Datensätze hinterlegt, ist der beantragte Ausweis zehn Jahre gültig, ansonsten muss dieser alle fünf Jahre neu beantragt werden.

Die rechtliche Grundlage für die Biometrie-Zentraldatei ist ein Parlamentsbeschluss von 2009, heute sollen darin sieben der rund neun Millionen Einwohner des Landes gespeichert sein. Die Informationen werden nicht nur für Ausweisdokumente genutzt, sondern auch für die Identifizierung von Personen durch Polizeibehörden. Die Datenbank wird von einer eigenen Behörde verwaltet, bei der die Polizei ein Gesichtsbild oder einen Fingerabdruck für einen Abgleich hochladen kann. Selbst können die Sicherheitsbehörden keinen Abgleich vornehmen und auch nicht direkt auf die dazugehörigen Personendaten zugreifen.

Das Gesetz sieht laut »Calcalist« vor, dass die Biometrie-Datei in andere Informationssysteme exportiert werden kann. Auch die Bevölkerungs- und Einwanderungsbehörden sollen die Gesichtsbilder nutzen dürfen, jedoch mit reduzierter Auflösung. Außerdem können die Antragsteller nicht mehr auf die Speicherung ihrer Fingerabdrücke in Personalausweisen und Reisepässen verzichten. Diese neuen Vorgaben kritisiert die israelische Politikwissenschaftlerin Tehilla Shwartz-Altshuler vom Israel Democracy Institute: Die Datenbank sei als Teil einer eigenen Behörde und mit sehr strengen Sicherheitsmaßnahmen eingerichtet worden und werde auch mit demokratischen Verfahren beaufsichtigt, sagte sie dem Magazin. Dies sei mit dem neuen Gesetz nicht mehr sichergestellt.

Weitere, in den ersten beiden Wochen nach den Hamas-Angriffen erlassene Notstandsbestimmungen erlauben dem Militär und dem Inlandsgeheimdienst Shin Bet außerdem den Zugriff auf private Videokameras, wenn diese mit dem Internet verbunden sind. Die Behörden dürfen dafür die Passwörter der Geräte knacken. Auch ist es erlaubt, dass die staatlichen Hacker die Videos der Kameras ohne Wissen des Eigentümers löschen und weitere Aufnahmen verhindern.

Zur Begründung heißt es, dass von privaten Haushalten oder Geschäften aufgestellte Kameras auch öffentliche Bereiche oder sensible Einrichtungen beobachten und diese Bilder dem »Feind« nutzen könnten. Die Nationale Cyber-Direktion hatte zuvor gewarnt, dass feindlich gesinnte Personen die Netzwerkkameras hacken könnten. Das vom Verteidigungsminister als Gegenmaßnahme erlassene Dekret soll sechs Monate in Kraft bleiben, mit Zustimmung des Premierministers und dem Parlament kann es um bis zu sechs weitere Monate verlängert werden. Eine parlamentarische Kontrolle der neuen Überwachungsmethoden ist nicht vorgesehen, jedoch soll der zuständige Parlamentsausschuss monatlich einen Bericht erhalten.

Auch der israelische Menschenrechtsanwalt Eitay Mack, der auf Spionagesoftware spezialisiert ist, sieht die neuen Überwachungsmaßnahmen kritisch und befürchtet weltweite Auswirkungen auf den Kampf um den Schutz des Rechts auf Privatsphäre. Dieser Kampf könnte nach dem 7. Oktober auch in westlichen Ländern noch schwieriger werden, sagt Mack zum »nd«. Denn es sei zu erwarten, dass Regierungen die Taten der Hamas nutzen, um den Einsatz aller Mittel zur Überwachung des öffentlichen und auch privaten Raums voranzutreiben.

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