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Eigenbedarfskündigungen in Berlin: Die Ruhe vor dem Sturm
Gesetz zur Begrenzung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zeigt die erhoffte Wirkung
Die Zahl der Anträge auf Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen nimmt ab. Das zeigt ein am Dienstag im Bauausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vorgestellter Bericht des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS). In den Milieuschutzgebieten der Hauptstadt wurde im ersten Halbjahr 2023 für 40 Wohnungen eine Umwandlung genehmigt. Auch die Zahl der Anträge auf Umwandlung geht bezogen auf das gesamte Stadtgebiet zurück. Allerdings wurden deutlich weniger Anträge abgelehnt als in den Jahren zuvor.
Wenn eine Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird, ermöglicht dies dem Hauseigentümer, die Wohnungen in einem Haus einzeln zu verkaufen. Dies bringt oft mehr Geld, als das gesamte Haus zu verkaufen. Die Käufer*innen sehen in der Wohnung entweder eine Geldanlage oder ihr neues Zuhause – auch wenn das Quartier bereits bewohnt ist. Beide Optionen haben für Mietende meist negative Konsequenzen. Vermieter*innen wollen ihre Investition möglichst schnell refinanzieren und dafür die Mieten erhöhen oder sie sprechen Eigenbedarfskündigungen aus. Der Eigenbedarf ist dabei nicht selten vorgeschoben, um die Wohnung sanieren und teuer weiterverkaufen zu können.
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Seit 2015 müssen Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt nach Paragraf 172 Baugesetzbuch genehmigt werden. Die Zahlen des IfS zeigen, dass fast alle Anträge bewilligt wurden. Mit dem seit Mitte 2021 gültigen Paragrafen 250 Baugesetzbuch wurde diese Regelung auf größere Häuser im gesamten Stadtgebiet ausgeweitet und die Genehmigungskriterien wurden verschärft. 2025 soll die Regelung auslaufen. Bausenator Christian Gaebler (SPD) will sich daher im Bund für eine Entfristung einsetzen. »Es war erfolgreich, die Umwandlungswelle zu brechen«, bewertet die SPD-Abgeordnete Sevim Aydin die neuen Zahlen. Doch mit niedrigen Antragszahlen ist die Gefahr noch nicht gebannt. Denn nach dem ersten Verkauf nach einer Umwandlung gilt eine Kündigungssperrfrist von zehn Jahren. In Milieuschutzgebieten muss die Wohnung zunächst nach sieben Jahren den bisherigen Mieter*innen zum Kauf angeboten werden. Wollen sie nicht kaufen, dürfen sie dann noch weitere fünf Jahre in der Wohnung bleiben.
Diese Sperrfristen laufen langsam aus. Beim Berliner Mieterverein zeigen sich bereits Auswirkungen der steigenden Umwandlungszahlen im vergangenen Jahrzehnt. Es gibt mehr Beratungsfälle zu Eigenbedarfskündigungen. Dieser Trend wird in den kommenden Jahren vermutlich noch stärker zu spüren sein. Denn in der Zeit vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes Mitte 2021 gab es einen enormen Anstieg der Umwandlungen. Wenn die nie mehr als 2000 Umwandlungen pro Halbjahr bis 2018 bereits zu einem deutlichen Anstieg der Kündigungen führen, wird der Höchststand von 9737 genehmigten Umwandlungen im ersten Halbjahr 2021 in Zukunft schwerwiegende Folgen haben.
Vor diesen Auswirkungen müssten Mieter*innen besser geschützt werden, sagt Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins: Für Wohnungen in Milieuschutzgebieten, die beim Kauf bereits bewohnt sind, sollte Eigenbedarf generell kein Grund zur Kündigung sein.
Ein weiteres Mittel zum Schutz von Meter*innen beim Verkauf ihrer Häuser ist das kommunale Vorkaufsrecht. Grüne und Linke fordern den Senat auf, den Bezirk Neukölln bei der Ausübung des Vorkaufsrechts für die Weichselstraße 52 finanziell zu unterstützen. Ohne Geld vom Land Berlin funktioniert es nicht.
Seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2021 können Kommunen nur noch bei Objekten mit besonders schlechtem Zustand das Vorkaufsrecht nutzen. Senator Gaebler wies eine Verantwortung des Senats zurück. Die Bezirksämter müssten auf die Instandhaltung der Gebäude achten und Eigentümer zur Sanierung auffordern, sagte er.
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