Letzte Generation und XR wollen raus aus den Fossilen

Vielfalt als Stärke: Letzte Generation und Extinction Rebellion reagieren auf Kritik an zwei verschiedenen Protestterminen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.

An diesem Samstag will die Letzte Generation zum zweiten Mal mit Hunderten Unterstützer*innen die Straße des 17. Juni in Berlin besetzen. Die Gruppe fordert von der Bundesregierung, bis 2030 aus der Nutzung fossiler Energien auszusteigen. Inspiriert ist die neue Form des Massenprotests von Extinction Rebellion (XR) Niederlande: Mit der wochenlangen Besetzung der Autobahn A12 in Den Haag gelang es den Aktivist*innen dort, ihre Forderung nach dem Ausstieg aus fossilen Subventionen ins niederländische Parlament zu bringen.

Genau zwei Wochen später steht eine vergleichbare Aktion zivilen Ungehorsams auf der Berliner Elsenbrücke an. Ähnliches Motto – »Stoppt fossile Subventionen!« – und dieselbe Bezugnahme auf XR Niederlande, nur wird dieser Protest von XR Deutschland geplant. Damit »steuert die Klimabewegung gerade auf eine Situation zu, in der wir so gespalten sind, dass zwei sich historisch sehr nahestehende Organisationen nicht in der Lage sind, sich auf ein gemeinsames Datum für Aktionen gegen fossile Subventionen zu einigen«, kritisiert der Klimaaktivist Tadzio Müller in seinem Newsletter »Friedliche Sabotage« vom November.

Er appelliert an beide Gruppen, das »zwanghafte Labeling von Aktionen« mit dem eigenen Logo und Distanzierungen voneinander zwecks gemeinsamer Sache zurückzustellen. Diesbezüglich könnten Linke und Klimagruppen von den Rechten lernen, die »derzeit mehr gewinnen als verlieren«, so Müller mit Blick auf deutsche und weltweite Wahlergebnisse. Spielen Letzte Generation und XR sich also gegenseitig aus?

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»Die Kommunikation ist unglücklich gelaufen«, gibt XR-Sprecherin Manon Gerhardt zu. Die Aktion auf der Elsenbrücke sei der Auftakt einer größeren Kampagne gegen fossile Subventionen, die in einem breiten Bündnis unter anderem mit Scientists for Future, Sand im Getriebe und Greenpeace schon lange geplant sei und der Termin auf das Ende der Weltklimakonferenz gelegt worden. Aus XR-Perspektive seien die Massenbesetzungs-Termine der Letzten Generation recht kurzfristig angesetzt und sie spontan zum Mitmachen aufgefordert worden, aber nicht dazu, die Aktion von Anfang an gemeinsam zu planen.

In der Kürze der Zeit hätten verschiedene Dinge, auf die XR Wert legt, nicht geklärt werden können: So sollte das öffentliche Bild einer Aktion nicht davon dominiert werden, dass sich Menschen an der Straße festkleben. »Wir wollen ein buntes, künstlerisches Aktionsbild, eine Geschichte erzählen«, sagt Gerhardt zu »nd«. Es müsse von Anfang an klar sein, wie weit der zivile Ungehorsam gehe. Zudem seien ihnen bei Massenaktionen Strukturen wie Awareness, Sanitäter*innen und Gefangenen-Support wichtig.

Auch die Letzte Generation habe erst vor wenigen Wochen vom Kampagnenstart des Bündnisses um XR erfahren, sagt Torben Ritzinger von der Letzten Generation. Da dieser jedoch im Zusammenhang mit der COP steht, sehe er den Termin gar nicht als Konkurrenz. »Wir wünschen uns, dass beide Protestaktionen öffentliche Aufmerksamkeit bekommen«, sagt er zu »nd«. Das Aktionsbild solle auch bei der Letzten Generation an diesem Samstag bunt sein, »wobei unsere Farbe natürlich orange ist«. Es könnte durchaus zu Klebe-Aktionen kommen, der Fokus solle jedoch darauf liegen, möglichst viele Menschen auf der Straße zu vereinen.

Dass eine Zusammenarbeit von vornherein nicht geklappt hat, begründet Gerhardt mit den verschiedenen Strukturen der beiden Bewegungen: XR ist basisdemokratisch, die Letzte Generation hierarchisch organisiert. So sei es für XR schwer gewesen, in der anderen Gruppe an diejenigen heranzukommen, die entscheidungsbefugt sind. Andersherum brauche XR eben mehr Zeit, um Entscheidungen zu fällen, auch »weil uns Netzwerke wichtig ist, wir uns in globale Kämpfe einordnen und wir mehr Menschen mit ins Boot holen wollen«, erklärt Gerhardt.

In diesem Sinne gebe sie Tadzio Müller recht: Eine geeinte Bewegung stehe immer besser da. Allerdings halte sie es für »hochgefährlich, sich dafür die Strategie der Rechten anzueignen.« Dort herrsche Einigkeit mangels demokratischer Meinungsauseinandersetzungen. »Das wollen wir nicht kopieren«, im Gegenteil: Sie betrachte es auch als Stärke der Bewegung, dass es verschiedene Ansätze gibt, auch wenn es das Tempo bisweilen verlangsamt. Außerdem sei die vermeintliche Einheit der Rechten oft erst mal ein »Dagegen«, während Linke mehr abwägen würden, ergänzt Ritzinger. »Bekanntlich bieten die Wahlprogramme gewisser Parteien wenig tatsächliche Problemlösungen.«

Zukünftig, das sagen beide Gruppen, wolle man sich zwecks Zusammenarbeit besser koordinieren, nun sei man im Dialog und mobilisiere intern auch zum jeweils anderen Massenprotest. Inzwischen ist die Letzte Generation auch am Bündnis für den Protest 9. Dezember beteiligt. »Uns einen ja dieselben Kernziele«, betont Ritzinger. Die Gruppen Scientists Rebellion und Eltern gegen die Fossilindustrie sind übrigens bei beiden Terminen dabei.

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