Internationalismus von unten

Am Black Friday legen Amazon-Beschäftigte weltweit die Arbeit nieder

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Amazon steht für Ausbeutung, Überwachung, Umweltzerstörung und Steuervermeidung. Die Arbeitsbedingungen in Amazons Logistikzentren können nur als dystopisch beschrieben werden.« Das Urteil von Alex Schneider von der Initiative »Berlin vs Amazon« über den US-Konzern, der bundesweit rund 30 000 Mitarbeiter*innen beschäftigt, ist eindeutig. Durch seine Monopolstellung kann Amazon die Arbeitsstandards diktieren. Amazon-Beschäftigte würden konstant durch menschliche und digitale Aufseher überwacht, müssten zur Aufrechterhaltung der Just-In-Time-Lieferung auf Pausen verzichten und bis zur Erschöpfung arbeiten. Darunter leide die Gesundheit – Körper wie Psyche.

Doch pünktlich zum Black Friday, bei dem Amazon mit zahlreichen Sonderangeboten auf Kundenfang geht, regt sich internationaler Widerstand. In über 30 Ländern treten Amazon-Beschäftigte in den Streik und solidarische Gruppen gehen gegen den Tech-Konzern auf die Straße.

Ein zentraler Ort des globalen Streiktages ist das britische Coventry. Im dortigen Warenlager gab es schon den ganzen Monat Streiks mit Tausenden Teilnehmer*innen. Nun kommen dort Amazon-Beschäftigte aus Italien, Deutschland und den USA für eine internationale Streikkonferenz zusammen. Die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg unterstreiche die Notwendigkeit, gegen den Tech-Konzern international koordiniert vorgehen zu müssen, wie es bei der lokalen Gewerkschaft GMB heißt.

»Die Beschäftigten wissen, dass es egal ist, in welchem Land oder in welcher Position sie arbeiten, sie sind alle vereint im Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen«, sagte auch Christy Hoffman, Generalsekretärin der UNI Global Union, dem globalen Gewerkschaftsverband für die Dienstleistungsbranche.

Nicht nur in Coventry kommt es zu Ausständen. Die polnische Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (Arbeiterinitiative) mobilisiert zu einer Demonstration in Warschau gegen Union Busting. Der Begriff stammt aus dem Englischen und meint das systematische Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen. In Deutschland geht es dabei meistens um die Be- oder Verhinderung von Betriebsratsarbeit. Amazon betreibt flächendeckend Union Busting.

Auch in Italien wird das wichtigste Amazon-Lager des Landes in Castel San Giovanni in der Region Emilia-Romagna bestreikt. Giampaolo Meloni vom nationalen Gewerkschaftsverband CGIL erklärte: »Es ist eine wichtige Botschaft, dass wir alle zusammen über Grenzen hinweg für das kämpfen, was wir verdienen.«

Und in den USA haben Werktätige von 25 Lagerhallen angekündigt, den Betrieb einzustellen, in Chicago werden sich zudem die Lieferfahrer dem Streik anschließen. Sie hatten bereits seit Juni immer wieder die Arbeit niedergelegt. Dafür hatte auch der US-Senator Bernie Sanders seine Unterstützung bekundet.

Proteste sind zudem in Berlin geplant, wie Alex Schneider von der lokalen Initiative »Berlin vs Amazon« im Gespräch mit »nd« erklärt. Eine Kundgebung richte sich gegen die geplante Konzernzentrale in Berlin-Friedrichshain. Durch sie würden »der Aufwertungsdruck weiter zunehmen und die Mieten noch mehr steigen«, so Schneider. »An San Francisco und Seattle lässt sich erkennen, wohin es führt, wenn sich Tech-Giganten ungestört ansiedeln und der Stadt ihren Stempel aufdrücken können: explodierende Mieten, Verdrängung, Obdachlosigkeit.«

Zusammen kommen die Streikenden unter dem Dach der »Amazon Workers International« (AWI), eines transnationalen Basisnetzwerks widerständiger Beschäftigter des Konzerns. Die Bewegung wurde bereits 2015 gegründet und organisiert seitdem internationale Streikkundgebungen, Vernetzungstreffen und Öffentlichkeitsarbeit. Bislang kam es zu Aktionen in 130 Ländern, bei denen sich 80 Gewerkschaften beteiligten.

Ein weiterer wichtiger zivilgesellschaftlicher Akteur ist die internationale Kampagne »Make Amazon Pay«, die für bessere Bedingungen in den Lagern des Unternehmens kämpft. In Barcelona gelang es den Aktivist*innen bereits, eine »Amazon-Steuer« zu erkämpfen. In der katalanischen Metropole gibt es nun eine Abgabe für von großen Onlinehändlern stadtweit ausgelieferte Waren.

Auf solche und weitere Erfolge hoffen nun die Streikenden und Aktivist*innen. Wenn am Black Friday alle Streiks erfolgreich durchgeführt werden, könnte dieser Tag als der bislang turbulenteste in Amazons 30-jährige Geschichte eingehen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.