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Reparieren statt manipulieren

Melanie Jaeger-Erben freut sich über das gestärkte Recht auf Reparatur

  • Melanie Jaeger-Erben
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Aktive im Bereich Nachhaltigkeit ist es immer wieder niederschmetternd, wenn Chancen für kleine Fortschritte politisch ungenutzt bleiben. Wenn etwa die EU die Zulassung für Glyphosat trotz legitimer Gesundheits- und Umweltbedenken um zehn Jahre verlängert, statt sich zu einem Verbot durchzuringen, wandelt sich das kollektive Engagement schnell mal zum kollektiven Haareraufen. Leider folgt auf kleine Schritte in Richtung tragfähiger gesellschaftlicher Naturverhältnisse viel zu oft ein großer Rückschritt im Sinne von: Jetzt haben wir die Umwelt schon die ganze Zeit manipuliert und zugerichtet, machen wir halt einfach zehn Jahre weiter.

Glyphosat ist ein Thema, das viele bewegt und medienwirksam verhandelt wird, vielleicht auch deshalb, weil sich die potenziellen Risiken zunächst unsichtbar entfalten. Und weil sich mal wieder Goliath in Form einer potenten Industrielobby und eine vergleichsweise schwächere und marginalisierte Gruppe an Davids – Konsument*innen, Umweltengagierte, Insekten- und Vogelpopulationen etc. – gegenüberstehen.

Weniger mediale Aufmerksamkeit hat ein Votum des EU-Parlaments erzeugt, bei dem es ebenso um die Rechte der »Kleinen« gegenüber den »Mächtigen« geht und wo ebenjene Mächtigen ähnlich unsichtbar in den Alltag hineinreichen: das in dieser Woche mit ungewohnt starker Mehrheit gestärkte Recht auf Reparatur, insbesondere bei Elektronikgeräten. Der Handel soll damit verpflichtet werden, die Gewährleistung zu verlängern und auch nach Ablauf der Gewährleistung eine Reparatur gegenüber dem Neuverkauf zu priorisieren. Zudem sollen produzierende Unternehmen künftig daran gehindert werden, den Einbau von Ersatzteilen anderer Marken oder durch ihnen nicht genehme Reparaturbetriebe zu unterbinden. Zwar wurde mit der Beschränkung auf zunächst zehn Produktkategorien – vom Fahrrad über Smartphones bis hin zu Kühlschränken – die Chance auf eine größere Hebelwirkung verpasst; dennoch ist die Entscheidung aus Nachhaltigkeitssicht positiv.

Melanie Jaeger-Erben

Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.

Das Streben von Herstellern nach Kontrolle über die Art und Länge der Nutzung von Geräten ist insbesondere im Technologiebereich genauso enorm wie unsichtbar. Hersteller können über das Design (etwa verklebte statt geschraubte Gehäuse) oder die Begrenzung von Services (z.B. Zugang zu Ersatzteilen) weit in die sonst so hoch gehaltene Konsument*innen-Souveränität hineinreichen. Zu sehr haben wir uns daran gewöhnt, den Verheißungen des Handels zu glauben, dass das Neue immer das Beste ist und dass Reparieren sich wegen der Schnelllebigkeit des Marktest nicht lohnt. Vor der EU liegt noch viel Arbeit, wenn Reparieren wieder ein selbstverständlicher Teil des Alltags und echte Souveränität gefördert werden soll.

Doch die Stoßrichtung der Entscheidung ist gut. Und zwar nicht nur, weil Reparieren Ressourcen schonen und regionale Wertschöpfung fördern kann. Sondern auch, weil es mehr ist als die Wiederherstellung eines Gegenstands. In einer auf monetäre Effizienz, steigenden Konsum und »Up-to-Date«-ismus getrimmten Gesellschaft zwingt Reparatur zum Innehalten. Geht der Akku meines Tablets kaputt, werde ich nicht nur zur Reflektion darüber angeregt, wie dringend ich das Gerät eigentlich brauche. Ich komme auch in Berührung mit den Absurditäten des Marktes, wie die unverhältnismäßig hohen Kosten des Erhalts gegenüber dem Neukauf oder die Unmöglichkeit, den Akku selbst tauschen oder überhaupt kaufen zu können. Reparieren ist wie eine Auszeit im Strom des ständigen Konsums und im Fall der Eigenreparatur sogar eine Gelegenheit, technische Kompetenzen zu erweitern – in einer zunehmend technisierten Welt ein nicht zu verachtender Vorteil. Nicht zuletzt sollte Reparieren in Anbetracht einer zunehmend zerstörten Welt zum zentralen Handlungsmodus werden: Reparieren statt manipulieren!

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