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Biathlon: DSV-Team will der Übermacht aus Norwegen trotzen
Beim Saisonstart spricht wieder alles für die Norweger, ausgeglichener ist es bei den Frauen
Mit schnellen Norwegern hat Jens Filbrich bereits in seiner Karriere als Skilangläufer reichlich Erfahrungen gesammelt. Ein eindrucksvolles Update zu den flinken Skandinaviern bekam der Gewinner von zwei olympischen Medaillen bei den Spezialisten vor knapp zwei Wochen aber auch in seiner neuen Branche serviert. Nach einer Saison als Lauf- und Athletiktrainer im zweitklassigen IBU-Cup stieg Filbrich im Frühjahr zum Ko-Trainer der deutschen Biathleten auf. Im Gespräch mit »nd« staunte der Spartenwechsler nach den jüngsten Testrennen in Sjusjoen: »Die Norweger hatten das Messer quer zwischen den Zähnen.«
Verwunderlich ist das nicht, denn die Konkurrenz unter den norwegischen Skijägern ist gewaltig. »Die haben 15 bis 20 Mann, und die kämpfen alle wie die Berserker um zwölf Plätze im Weltcup und im IBU-Cup. Die mussten alles investieren, denn auch die norwegischen Biathleten müssen schauen, wo sie bleiben. Deshalb waren sie in absoluter Topform und megagut vorbereitet, auch konditionell«, erklärt Filbrich. Und darüber hinaus musste der 44-jährige Thüringer in dem Wintersportzentrum in der Provinz Innlandet miterleben, wie die Norweger nach dem Verbot des umwelt- und gesundheitsschädlichen Fluorwachses den anderen Nationen auch bei der Suche nach neuem Material fürs Erste weit enteilt sind.
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Für Benedikt Doll, den Routinier im deutschen Männerteam, ist vor dem Weltcupauftakt an diesem Sonnabend in Östersund deshalb eines klar: »Nach den Testrennen in Sjusjoen würde ich sagen, dass Johannes Thingnes Bö wieder genauso stark sein wird wie im letzten Jahr.« Damals gewann der Dominator aus Norwegen 16 der 21 Einzelrennen, die härtesten Widersacher dürfte Bö neben dem Schweden Sebastian Samuelsson und dem Franzosen Emilien Jacquelin primär im eigenen Team finden: Sturla Holm Lägreid, Vorjahreszweiter im Endklassement und in den vergangenen beiden Wintern bester Schütze im Feld, hat über den Sommer nochmals an seinem Schießen gearbeitet. Zudem scheint Bös fünf Jahre älterer Bruder Tarjei mit dem Besten der Branche läuferisch momentan auf Augenhöhe zu sein. Aus den eigenen Reihen Ärger bereiten könnten Johannes Thingnes Bö außerdem Svetle Sjastad Christiansen und Johannes Dale-Skjevdal.
Die besten Chancen, in die Phalanx der Norweger einzubrechen, hat aus dem deutschen Team der laufstarke Benedikt Doll. Den vorigen Winter schloss der 33-jährige Schwarzwälder als Vierter in der Gesamtwertung ab. Vor seiner aller Voraussicht nach letzten Saison sagt er nun: »Ich kann vorne mitspielen, aber dafür muss ich die gleiche Schießleistung bringen wie die Norweger.« Dieses Manko hat auch Uros Velepec erkannt. »Wir müssen mehr riskieren, schneller schießen und alles zu 100 Prozent machen – sonst haben wir keine Chance«, fordert der 56-jährige Slowene, der nach dem Rücktritt des langjährigen Bundestrainers Mark Kirchner den Chefposten bekleidet. Mit aller Macht den Anschluss schaffen, lautet Velepecs Rezeptur vor den ersten Starts am Sonnabend mit den gemischten Staffeln.
Deutlich ausgewogener als bei den Männern ist der Kreis der Favoritinnen bei den Frauen. Die größten Chancen auf den Gewinn des Gesamtweltcups haben Vorjahressiegerin Julia Simon aus Frankreich, die Italienerin Lisa Vittozzi, die Schwedin Elvira Öberg und die Norwegerin Ingrid Landmark Tandrevold, die nach dem Karriereende der langjährigen Aushängeschilder Marte Olsbu Röiseland und Tiril Eckhoff die Führungsrolle im Team der Skandinavierinnen übernommen hat.
Im ersten Winter nach dem Rücktritt der sächsischen Medaillengarantin Denise Herrmann-Wick – Olympiasiegerin von Peking im Einzel und Weltmeisterin in der Verfolgung und im Sprint – sind die Kräfte bei den deutschen Skijägerinnen inzwischen breiter verteilt: Spielt ihr Körper mit, könnte Franziska Preuß, die die vergangene Saison aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abbrechen musste, wieder an den oberen Rängen schnuppern. »Ich habe absolut keinen Zweifel«, legt Felix Bitterling, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV), die Messlatte für die 29-jährige Oberbayerin auf jeden Fall schon mal recht hoch, »dass in ihr noch sehr viel Weltklasse steckt. Sofern es die Gesundheit zulässt.«
Preuß selbst hat das Glücksgefühl sportlicher Triumphe schon früh kennengelernt: Bei den Weltmeisterschaften 2015 in Kontiolahti wurde sie zwei Tage nach ihrem 21. Geburtstag Staffelweltmeisterin, weitere zwei Tage später gewann sie mit Silber im Massenstart ihre erste und bis heute einzige Einzelmedaille bei globalen Titelkämpfen. Doch es folgten auch zahlreiche Rückschläge: Krankheiten und Verletzungen warfen Preuß im Lauf ihrer Karriere immer wieder zurück, entsprechend vorsichtig sagt die Skijägerin vom SC Haag: »Ich muss jetzt erst mal wieder ins Wettkampfgeschehen reinfinden. Das ist nicht ohne. Das darf man nicht unterschätzen, wenn man mal fast eine ganze Saison raus war. Das habe ich 2017 ja schon mal erlebt. Und es ist nicht selbstverständlich, dass es da von Anfang an gleich wieder flutscht.«
Nicht kontinuierlich, aber immer mal wieder flutschte es im vergangenen Winter bei einer Reihe munterer Mittzwanzigerinnen im deutschen Frauenteam. Für die 25-jährige Hanna Kebinger, die ein Jahr älteren Vanessa Voigt und Sophia Schneider sowie die 27-jährige Janina Hettich-Walz geht es jetzt vor allem darum, sich leistungsmäßig zu stabilisieren und, mit den Olympischen Winterspielen 2026 im Visier, sich der Weltspitze weiter anzunähern. Zudem rückt das 19-jährige Toptalent Selina Grotian langsam in den Fokus. Und so sagt Sportchef Bitterling schon mal voller Optimismus: »Bei den Frauen ist mir mit Blick auf 2026 überhaupt nicht bange.«
Etwas anders ist die Lage dagegen bei den Herrschaften mit Ski und Gewehr. Neben Doll auf seiner mutmaßlichen Abschiedstour haben aus dem derzeitigen Weltcupkader auch Roman Rees, Johannes Kühn und Philipp Nawrath bereits die 30 überschritten und sind damit im fortgeschrittenen Biathlon-Alter. Der 27-jährige David Zobel und der ein Jahr jüngere Justus Strelow runden das Sextett ab. »Läuferisch haben wir bis Olympia auf jeden Fall starke Athleten im Team«, wirft Benedikt Doll dabei schon einmal einen Blick in die Glaskugel, der Sprint-Weltmeister von 2017 findet allerdings auch: »Wir könnten schon ein paar mehr Nachwuchssportler brauchen. Leute, bei denen man sieht: Okay, die könnten richtig Gute werden.« Ein Problem, das die Berserker-Biathleten aus Norwegen definitiv nicht haben.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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