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Politik in Sri Lanka: Ringen um Wirtschaftsstabilität
Sri Lanka soll mit einem neoliberalen Kurs aus der Krise geführt werden
Der Preis, um Unterstützung bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise zu erhalten, ist hoch. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat für sein insgesamt 2,9 Milliarden US-Dollar schweres Nothilfepaket umfassende Umstrukturierungen zur Auflage gemacht. Dazu zählt die Privatisierung mehrerer Staatsbetriebe – das reicht von der nationalen Fluggesellschaft über Stromversorger bis zu Versicherungsgesellschaften.
Vorangetrieben wird dieser Kurs auch durch die Regierung. Mitte November hatte Staatschef Ranil Wickremesinghe den Haushalt präsentiert und seine Landsleute auf die »Notwendigkeit zu weiteren Reformen« eingeschworen. Er beabsichtigt unter anderem Anteile der zwei größten Staatsbanken an den Markt zu bringen. Dazu will Wickremesinghe, der in Personalunion zugleich Finanzminister ist, 20 Prozent der beiden Bankhäuser privatisieren. Seine politische Heimat, die Vereinigte Nationalpartei (UNP), verfolgt einen neoliberalen Kurs.
Sri Lanka stand voriges Jahr nahezu am Abgrund, nachdem es die Zahlungsunfähigkeit bei den Verbindlichkeiten seiner Auslandsschulden erklären musste. Daraufhin nahm die schwerste ökonomische Krise seit der Unabhängigkeit des Inselstaates ihren Lauf. Die Inflation lag im September 2022 zeitweise bei 70 Prozent.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Zwar ist die Teuerungsrate innerhalb eines Jahres auf 1,5 Prozent im Oktober gefallen, was die Regierung sich auf die Fahnen schreibt. Doch die Lage bleibt weiterhin angespannt. So wird die Gesamtschuldenlast Sri Lankas noch mit gut 46 Milliarden Dollar beziffert. Das sind laut Weltbank über 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Auch darum ist das Land auf eine zweite Kredittranche des IWF angewiesen. Nur damit könnten in den folgenden Monaten alle unmittelbar anstehenden Verbindlichkeiten bedient werden. Doch es ist unklar, wann der Währungsfonds die Finanzspritze bereitstellt.
Dennoch geht die Regierung für 2024 wieder von einem soliden Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent aus, wie der Finanzstaatssekretär Shehan Semasinghe erklärte. Von erneuten gravierenden Versorgungsengpässen gehe man vorerst nicht aus. Und dank erwarteter Mehreinnahmen will der Präsident dem Bankensektor, der in seinen Bilanzen viele Firmenpleiten einpreisen musste, mit einem Betrag von 450 Milliarden Rupien (1,26 Milliarden Euro) unter die Arme greifen.
Zudem sollen die 1,3 Millionen Staatsbediensteten ab Mitte des nächsten Jahres pro Monat 10 000 Rupien (28 Euro) mehr erhalten, die rund 700 000 Pensionäre 3000 Rupien. Vorausgesetzt es gelingt tatsächlich, die Steuereinnahmen im geplanten Umfang deutlich anzuheben. Wickremesinghe räumte dabei ein, dass aktuell von einem monatlichen Defizit von rund 168 Milliarden Rupien auszugehen sei.
Derweil hat sich der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) mit den Ursachen der Wirtschaftskrise befasst. In einem symbolträchtigen Urteil von Mitte November stellte er fest, dass Ex-Präsident Gotabaya Rajapaksa, sein älterer Bruder Mahinda als Premierminister, der jüngere Bruder Basil als damaliger Finanzminister, die Zentralbankchefs Ajith Cabraal und Weligamage Don Lakshman sowie zwei hochrangige Staatsbedienstete maßgeblich für die Krise verantwortlich waren. Durch eine fehlerhafte Wirtschaftspolitik seien grundlegende Rechte der Bevölkerung massiv beeinträchtigt worden.
In der Urteilsbegründung wurden etwa großzügige Steuergeschenke, aber auch zu späte Bemühungen um neue Kredite genannt. Das habe zusammengenommen in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu Engpässen, vorrangig bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten geführt, weil kaum noch Geld für notwendige Importe da war.
»Wir begrüßen die Entscheidung des Supreme Court und preisen die Klagenden für ihre Initiative. Nun ist es erwiesen, dass die nationale Ökonomie von den Rajapaksas und anderen ruiniert wurde«, sagte Lakshman Kiriella von der größten Oppositionspartei SJB, nach dem Urteilsspruch. Die Einwohner haben nun einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 150 000 Rupien (420 Euro).
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