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DOSB beschließt deutsche Olympiabewerbung

Konzept für Spiele soll 2024 erarbeitet werden. Austragungsorte und Zeitpunkt bleiben vage

Thomas Weikert hob die Lautstärke seiner Stimme noch einmal an. Ein rhetorischer Trick, den er offenbar für die Medienvertreter in der letzten Reihe des großen Saals des Kap-Europa-Hotels im Zentrum von Frankfurt am Main nutzte, denn von den davor sitzenden Delegierten auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) musste er am Samstagvormittag eigentlich niemanden mehr überzeugen. »Wir wollen Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland«, sprach der DOSB-Präsident zum Ende seiner Rede also merklich lauter ins Mikrofon seines Rednerpults. Wenige Momente später stimmten die mehr als 400 Delegierten der verschiensten Sportverbände einstimmig für die »Frankfurter Erklärung«, mit der sie den DOSB beauftragten, ein Konzept für eine deutsche Olympiabewerbung zu entwickeln.

Dass der Rest der hiesigen Bevölkerung nicht so einmütig von den Spielen überzeugt ist, weiß Weikert. Trotz einer offenbar selbst in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage, derzufolge eine Mehrheit in Deutschland zurzeit hinter einer Bewerbung stehe, sagte Weikert: »Nur wenn der Sport und die Bundespolitik gemeinsam agieren, haben wir eine Chance, die Bevölkerung zu überzeugen.« Der DOSB vertraut anscheinend derlei Umfragen nicht mehr. Schließlich hatte es solche auch gegeben, bevor die Menschen im vergangenen Jahrzehnt bei Referenden dann doch den Bewerbungen von München und Hamburg eine Absage erteilten.

Die Olympiaskepsis war nach Korruptionsskandalen und vor Gigantismus strotzenden Ausgaben auf dem Höhepunkt angelangt. Vor allem mit dem Argument, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert würden, konnte die Nolympia-Bewegung immer wieder in ganz Europa Bewerbungen durch Bürgerbefragungen stoppen. So ist es verständlich, dass der DOSB vor einem Jahr einen neuen Weg einschlug. In Dialogforen wurde seitdem in den möglichen Ausrichterstädten Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig und München mit Bürgern diskutiert.

Das Interesse war allerdings äußerst gering. In Hamburg kamen nicht mal 100 Menschen zum Debattieren. Speziell für Nolympia-Bewegte schien eine Beteiligung sinnlos. Worüber sollte denn diskutiert werden, wenn noch gar kein Konzept vorliegt? Der DOSB wollte sich seinerseits aber nicht wieder vorwerfen lassen, an den Bürgern vorbei zu entscheiden.

Nun also wird das Konzept entwickelt, das vermutlich bei der nächsten Versammlung Ende 2024 in eine offizielle Bewerbung münden wird. Alles auf Basis jener »Frankfurter Erklärung«, die, so betonte der DOSB mehrfach, die Wünsche, aber auch die Kritik der Menschen ernst nehme. So solle Olympia in Deutschland Impulse für einen modernisierten ÖPNV, Barrierefreiheit, Sportstättensanierung für den Breitensport und Bürokratieabbau geben. Olympische Dörfer sollten »Wohnraum für alle« schaffen. Für die Umwelt werde zudem komplett auf große Neubauten verzichtet, und natürlich müsse alles nachhaltig sein.

Da dies keine deutsche Stadt allein bietet, will sich der DOSB mit mehreren Regionen bewerben: In Berlin steht schon ein Olympiastadion für die Leichtathleten, in Markleeberg bei Leipzig eine Wildwasseranlage für Kanuten, in Hamburg sind die Triathleten zu Hause, das Ruhrgebiet hat riesige Stadien und Hallen für Teamsportarten. Die Zeit, in der das Internationale Olympische Komitee (IOC) Wert auf kurze Wege legt, ist ohnehin vorbei. Also rechnet sich der DOSB mit diesem Konzept Chancen aus.

Doch wichtige Fragen bleiben vage oder komplett ungeklärt. So auch, welche Ausgabe überhaupt bevorzugt wird? 2036 oder 2040? Besonders gegen eine Austragung 100 Jahre nach den Propagandaspielen der Nazis 1936 in Berlin sprechen sich zurzeit viele Menschen aus, besonders in der Hauptstadt selbst. Dennoch heißt es in der verabschiedeten DOSB-Erklärung: »Eine Bewerbung für 2036 muss erfolgen, weil dies die nächsten Spiele sind, die vom IOC vergeben werden.« Erst auf mehrfache nd-Nachfrage räumte DOSB-Präsident Weikert ein, dass eine Bewerbung nur für 2040 »natürlich auch denkbar« sei, sollte das Volk 2036 ablehnen. Bevorzugt wird aber der Tanz auf zwei Hochzeiten.

Der DOSB meint, es sei eine Chance, ein Jahrhundert nach 1936 Deutschland als demokratisches, modernes und weltoffenes Land zu präsentieren, das verantwortungsvoll mit seiner Vergangenheit umgehe. Zudem böte das die Möglichkeit für eine sensible Vermittlung der deutschen Geschichte, »vor allem an junge Generationen«. So einen Standpunkt kann man vertreten, müsste ihn dann aber auch zum zentralen Verkaufspunkt machen, will man nicht halbherzig wirken. Stattdessen ist zu lesen: »Der Sport muss bei einer Bewerbung im Mittelpunkt stehen, nicht die Erinnerungskultur.« So wird es selbst Befürwortern schwergemacht, für die Idee zu werben.

Das trifft auch auf lokale Entscheidungsträger zu. Seit Jahren gilt zwar: Viele Deutsche wollen Olympia, nur bitte nicht vor der eigenen Haustür. Spätestens seit den umjubelten European Championships in München 2022 gibt es aber auch wieder einige, die sich die Spiele in der eigenen Stadt wünschen. Solange aber nicht klar ist, welche Städte überhaupt ins Rennen geschickt werden, ist kein Enthusiasmus entwickelbar. Nicht umsonst bezeichnete die frühere Radsport-Präsidentin Sylvia Schenk die bisherigen Pläne als »inhaltlich und emotional blutleer«. Dass wirklich ganz Deutschland von Hamburg bis München und von Düsseldorf bis Berlin dabei sein wird, erscheint unrealistisch. Bis zum Sommer soll aber wohl auch diese Frage geklärt werden.

Besonders vage bleibt der DOSB ausgerechnet beim Thema der Abstimmungen in der Bevölkerung. »Die Frage nach Bürgerreferenden muss nach Erstellung eines Bewerbungs- sowie Beteiligungskonzepts von Politik und Sport betrachtet und bewertet werden«, heißt es nebulös im Konzept. Auch in mehreren Reden zur Olympiabewerbung ließ Weikert zu dieser Frage in Frankfurt kein Wort fallen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) übrigens auch nicht. Ohnehin ließ die für den Sport zuständige Regierungsgesandte so einige Punkte lieber weg, die für Diskussionen hätten sorgen können. So hat der Bund im Gegensatz zu den genannten Städten ein »Memorandum of understanding« noch immer nicht unterzeichnet. Nur mit vertraglich festgezurrter Zusage der Staatsführung aber gibt es überhaupt eine Chance beim IOC. Das wurde diese Woche erneut klar, als die IOC-Exekutive der schwedischen Bewerbung für 2030 eine Absage erteilte, weil »die öffentliche und politische Unterstützung« fehle. Zwar hatte Stockholm kurz vor der Entscheidung den Daumen gehoben, allerdings das Bewerbungskonzept noch prüfen wollen.

Zu wenig, zu spät für das IOC, wie es scheint. Und so wird es auch nicht reichen, dass Faeser den Delegierten in Frankfurt versicherte: »Viele in Deutschland werden sich gerade fragen: ›Jetzt auch noch Olympia?‹ Dazu sage ich: Ja! Der Bund ist für eine starke Bewerbung, und wir werden den DOSB dabei unterstützen.« Das Problem ist das Verfassungsgerichtsurteil, das eine Lücke in die Bundeskasse gerissen hat. Daher legt der Bund auch das Olympiaprojekt erst einmal auf Eis. Also zahlt der DOSB für den bisherigen Bewerbungspozess 1,7 Millionen Euro zunächst aus eigenen Mitteln, obwohl eine Teilung geplant war. DOSB-Präsident Weikert zeigte sich am Samstag davon überzeugt, dass dies spätestens bis zur Präsentation des Bewerbungskonzepts im Sommer 2024 geklärt sein wird. »Faktisch gibt es keinen Dissenz«, meinte er.

Spannend wird sein, ob der DOSB dann auch seine Versprechen halten wird: So verspricht er Spiele »mit einem realistischen und verbindlich einzuhaltenden Kostendeckel«. Das Budget müsse die Planungen bestimmen, nicht andersherum. Es wären die ersten Spiele seit vielen Jahren, deren Kosten am Ende die ursprünglichen Pläne nicht sprengen würden.

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