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Linksfraktion im Bundestag: Rückzug in die zweite Reihe
Die künftigen Bundestagsgruppen von Linke und BSW müssen Politik mit geringeren Ressourcen machen. Dafür gibt es historische Vorbilder
Die Handwerker des Bundestags bekommen demnächst im Plenarsaal zu tun. Wenn das Parlament Mitte Dezember wieder zusammentritt, um unter anderem über den hoch umstrittenen Bundeshaushalt für 2024 zu debattieren, gibt es die Linke-Fraktion nicht mehr. Wo und wie sich die Abgeordneten der Linken und des BSW verteilen, steht noch nicht fest. Einen Platz in der ersten Reihe hätten die künftigen Gruppen jedenfalls nicht, aber die müssen erst einmal vom Parlament genehmigt werden.
Kommt es dazu – und das gilt als wahrscheinlich –, dann sind viele Detailfragen zu beantworten. 38 weitere Einzelabgeordnete will sich der Bundestag gewiss nicht leisten, denn sie könnten den Betrieb mit einer Vielzahl von Kurzstatements ziemlich aufhalten. Allerdings sagt der bisherige Fraktionschef Dietmar Bartsch, die Linke-Abgeordneten würden sich zu ihren Redezeiten und -themen absprechen, denn man wolle das Parlament nicht ironisieren. Um Aussichten und Konditionen für eine Bundestagsgruppe zu sondieren, hat Bartsch Gespräche mit Vertretern anderer Parteien und dem Präsidium geführt. Er geht von einer baldigen Entscheidung aus und glaubt nicht, dass die Sache zu einer längeren Hängepartie wird.
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Für den Gruppenstatus gibt es Vorbilder aus den 90er Jahren. Damit die Ostdeutschen ausreichend vertreten sind, genügte es »in Erwägung der Einmaligkeit der Lage bei der Einigung Deutschlands« 1990 für den Einzug ins Parlament, die Fünf-Prozent-Hürde im Wahlgebiet West oder Ost zu überspringen. Im Osten gelang das der PDS und Bündnis 90/Grünen; dennoch hatten sie viel zu wenige Abgeordnete für den Fraktionsstatus. Auf die PDS traf das noch einmal 1994 zu. Deshalb musste das Parlament beschließen, was die Gruppen dürfen und nicht dürfen.
Diese Regelungen können nun als Orientierung dienen. Damals wurde den Gruppen zugestanden, Mitglieder in die Fachausschüsse zu entsenden; der einflussreiche Ausschussvorsitz blieb ihnen vorenthalten. Plätze bekamen die Gruppen auch in Enquetekommissionen, Untersuchungsausschüssen und im Ältestenrat, allerdings keinen Vizepräsidenten. Die Gruppen durften Gesetzentwürfe, Große und Kleine Anfragen einbringen, unter bestimmten Umständen Anträge zur Geschäftsordnung stellen und eine begrenzte Zahl von Aktuellen Stunden zu dringenden Themen beantragen. Die Redezeit im Plenum richtete sich nach dem Anteil der Abgeordneten am gesamten Parlament, die Finanzierung und Ausstattung von Gruppen lag deutlich unter der von Fraktionen.
Diese Rechte wurden jeweils für die Wahlperioden ab 1990 und 1994 beschlossen. Verfassungsklagen der betroffenen Gruppen, unter anderem auf vollständigen Fraktionsstatus, wurden sehr weitgehend abgelehnt. Als sicher gilt, dass die Linke-Abgeordnete Petra Pau Vizepräsidentin bleibt, weil sie für die gesamte Legislaturperiode gewählt wurde. Dagegen könnte Die Linke ihre Plätze in den Gremien verlieren, die sich mit der Kontrolle der Geheimdienste befassen.
Im Übrigen könnte es das letzte Mal für lange Zeit sein, dass sich im Bundestag Gruppen bilden, die weniger Rechte haben und kleiner sind als eine Fraktion. Denn in der von der Ampel-Koalition beschlossenen Reform des Wahlrechts ist die Möglichkeit, dass eine Partei mit mindestens drei Direktmandaten auch unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag einziehen kann, nicht mehr vorgesehen. Dann gilt: Entweder vollwertige Fraktion oder gar nichts. Allerdings ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn nicht nur Die Linke, sondern auch die Union – und hier vor allem die CSU – wehrt sich und will dagegen klagen bzw. mit der Ampel über Änderungen verhandeln. Was allerdings auch künftig passieren kann: dass sich eine Fraktion spaltet und daraus kleinere Gruppen hervorgehen. Beispielsweise wird den fünf einstigen AfD-Vertretern, die ihre Fraktion verlassen haben und seitdem Einzelabgeordnete sind, ebenfalls die Absicht nachgesagt, eine Gruppe bilden zu wollen.
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