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Teurer Klimaschutz: Das Ende der philippinischen »Jeepneys«
Die philippinische Regierung will die beliebten Kleinbusse ausrangieren und droht damit zu scheitern
Nein, Rene Mangahas hat nie behauptet, dass sein Fahrzeug, das er jeden Tag durch Manila steuert, besonders gut für die Umwelt wäre. Aber, betont der 61-Jährige und hebt den Zeigefinger: »Wenn die Regierung jetzt verlangt, wir sollen die Jeepneys nicht mehr fahren, frage ich mich, ob die spinnen!« Denn womit sollten Menschen wie Rene Mangahas, die seit Jahrzehnten den Straßenverkehr der philippinischen Hauptstadt stemmen, stattdessen fahren? »Ich habe nur diesen Jeepney. Er hat mir immer treu gedient. Und etwas anderes kann ich mir nicht leisten.«
Wer einmal die Philippinen besucht hat, weiß, worum es beim Wort »Jeepney« geht: Es sind die flachen, länglichen Kleinbusse mit den sonderbaren Chassis, die in ihrer Form dem Kopf eines Waschbären ähneln und überall zu sehen sind. 250 000 dieser Busse fahren im Land herum, ein Viertel davon in der Hauptstadt. Aber gerade in der Metropolregion Manila – mit 13,5 Millionen Einwohnern einer der größten Ballungsräume Südostasiens – sind die Jeepneys längst zu einem Problem geworden: verkehrs- wie klimapolitisch. Denn sie sind alte Dreckschleudern.
Weltweit hat der Transportsektor rund ein Fünftel der CO2-Emissionen zu verantworten. In den Philippinen aber liegt dieser Anteil bei einem Drittel – und das auch wegen der Jeepneys, deren altmodische Dieselantriebe sich seit rund 80 Jahren kaum verändert haben. Doch das soll sich nun ändern. Bis Ende des Jahres verlieren sie nämlich Schritt für Schritt ihre Lizenzen und sollen damit nacheinander aus dem Verkehr gezogen werden. Neuere Minibusmodelle sollen zwar auch mit Verbrennermotoren laufen, aber immerhin energie- und emissionseffizienter sein.
In der philippinischen Hauptstadtregion »Metro Manila«, in der 13,5 Millionen Menschen leben, gehört der Straßenverkehr zu den größten Herausforderungen. Über die vergangenen Jahrzehnte wurde auf die täglichen Stauprobleme vor allem dadurch reagiert, dass man neue und breitere Straßen baute. Allerdings hat dies die Lage kaum erleichtert, eher im Gegenteil: Die Verkehrslage ist noch prekärer geworden. In internationalen Vergleichen von Metropolen hat Manila immer wieder einen der hinteren Plätze belegt.
Der wohl größte Regulierungsmisserfolg in Manilas Verkehrspolitik war vor einigen Jahren das sogenannte Number Coding, mit dem die Verkehrslast auf die Straßen reduziert werden sollte, indem Autos je nach Nummernschild nur noch an bestimmten Tagen auf den Straßen zugelassen waren. Der Effekt war nicht der gewünschte: Einerseits nahmen Versuche zu, Verkehrspolizisten zu bestechen, damit diese ein Auge zudrückten. Andererseits kauften sich diejenigen, die das Geld hatten, einfach ein zweites Auto, um an jedem Tag die Straße nutzen zu können.
Die verkehrspolitisch stark durch die einstige Kolonialmacht USA geprägten Philippinen haben bis heute kaum damit begonnen, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Zwar wurde schon ab den 80er Jahren eine Bahnlinie geplant, die Ende der 90er Jahre mit 13 Stationen eingeweiht wurde. Allerdings wirkt dies im riesigen, eng besiedelten Ballungsraum eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Fahrradfahren wird erst seit der Pandemie allmählich populär.
Seit Anfang 2023 befindet sich zudem eine U-Bahnlinie im Bau, die den Stadtteil Valenzuela im Norden der Metropole über 17 Stationen mit dem Flughafen im Süden verbinden soll. Es wird die erste Untergrundverbindung im Land, sie soll täglich 1,5 Millionen Passagiere befördern. Das Bauprojekt entsteht in Kooperation mit der japanischen Entwicklungshilfe. Das Stauproblem auf den Straßen dürfte sich aber auch dadurch nur teilweise lösen lassen. Felix Lill
Die Jeepneys sind ein Symbol philippinischen Stolzes. Als die einstige Kolonialmacht USA in den 40er Jahren zahlreiche Militärfahrzeuge zurückgelassen hatte – General Purpose Vehicles, GP oder Jeep – bauten Filipinos auf dem Grundgerüst dieser länglichen Vehikel ein eigenes Karosseriedesign und nannten sie Jeepney – das Wort ist eine Mischung aus Jeep und Jitney, Filipino für »Personentransporter«. Heute werden Jeepneys im Nah-, Regional- und sogar Fernverkehr eingesetzt. Eingestiegen wird hinten, Platz bietet ein solcher Bus meistens für gut 20 Personen, stehen kann man darin nicht.
In jedem Touristenguide sind die Jeepneys auch deshalb erwähnt, weil die Besitzer sie oft nach individuellem Geschmack bemalt haben. Im mehrheitlich katholischen Land sind häufig Figuren von Jesus zu sehen, aber auch die Konterfeis erfolgreicher Basketballer oder Boxer. Rene Mangahas, der eigentlich gelernter Grafikdesigner ist, hat bei der Fahrergenossenschaft, der er als Präsident vorsitzt, schon an die 100 Karossen designt, wie er stolz berichtet. »Ich mache alle Farben und Stile«, prahlt er. »Mein Jeepney, den ich seit 20 Jahren fahre, hat vorne eine Transformer-Schnauze.«
Aber so populär die Jeepneys sind, gelten sie auch als Verkehrsrisiko. Die Mindestfahrgebühr von 13 Philippinischen Pesos (rund 22 Cent) reichen die Fahrgäste von hinten nach vorne durch. Die Fahrer jonglieren dann zwischen Bargeldannahme und Lenkrad. Regelmäßig kommt es zu Unfällen. Dies ist einer von mehreren Gründen – abgesehen von der Abwesenheit eines flächendeckenden Bahnsystems –, warum die Verkehrslage in Manila so prekär ist wie kaum irgendwo sonst auf der Welt. Die Regierung verspricht nun nicht nur den Bau einer U-Bahn, sondern eben auch die Einführung größerer Busse.
Doch es regt sich reichlich Widerstand. »Damit wir auf neue Fahrzeuge umsteigen, muss uns die Regierung schon unterstützen«, ruft Rene Mangahas an einem Nachmittag in Caloocan, einem eher armen Viertel im Norden Manilas. Der grauhaarige Mann mit kurzer Hose steht auf einem Wendeplatz, wo minütlich mehrere Jeepneys rein- und rausfahren, sich die Fahrer abwechseln und neue Fahrgäste einsteigen. Der Motorenlärm ist so betäubend wie der Benzingeruch. Rene Mangahas ist ihn gewohnt, er fährt seit 20 Jahren von hier aus seine Schichten und bedient die Linien in der Stadt.
Dass sich daran in Zukunft etwas ändern wird, glaubt er noch nicht. Bereits im Jahr 2017 hatte die Regierung einen Plan vorgelegt, nach dem ursprünglich bis 2020 alle Jeepneys aus dem Verkehr gezogen sein sollten. Seither ist die Umsetzung mehrmals verschoben worden. Und der Grund, aus dem sie sich weiter verzögern könnte: Die Alternativen sind im Schwellenland Philippinen zu teuer. Sauberere Minibusse kosten um die 2,8 Millionen Philippinische Pesos (rund 46 700 Euro) – den Fahrern bietet die Regierung für so eine Investition aber nur 160 000 Pesos an, rund sechs Prozent des Preises.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Rene Mangahas sieht sich auf dem röhrend lauten Wendeplatz um und sagt: »Wir sind hier um die 100 Fahrer. Niemand von uns kann es sich leisten, in einen neueren Bus zu investieren.« Pro Tag verdienen Jeepney-Fahrer nach Abzug der Kosten – für Benzin, Startgebühr und gegebenenfalls Wagenmiete – um die 2000 Pesos. Würden sie auf ein hochwertigeres Fahrzeug umrüsten, müssten sie pro Tag mindestens 3500 Pesos verdienen, um einen für die Investition nötigen Kredit abzahlen zu können. Für realistisch hält das in Caloocan kaum jemand.
Einer von jenen, die von den Plänen der Regierung besonders wenig halten, ist Obet Suarez. Der 45-jährige Jeepney-Fahrer macht auf dem Wendeplatz in Caloocan gerade eine Pause und zeigt ein Video auf seinem Smartphone. »Die neuen Modelle, die jetzt kommen sollen, sind aus China«, sagt er. »Und sie sind für die Bedingungen in Manila überhaupt nicht gemacht.« Denn in der von Flüssen durchzogenen Metropole gebe es regelmäßig Überschwemmungen. »Die neuen Busse kommen mit dem Salzwasser, dass dann übertritt, nicht gut klar«, meint er.
Obet Suarez glaubt, was in den Philippinen einer weitläufigen Einschätzung entspricht: »Die Regierung wollte einen guten Deal mit China machen, vielleicht um die bilateralen Beziehungen zu pflegen. Aber sie hat dabei nicht auf die Situation der Menschen geachtet.« Manchmal, das sagt auch Suarez’ Vorgesetzter Rene Mangahas, scheine es so, als wolle der Staat die Jeepney-Fahrer einfach nur loswerden. Und während solche Statements vor allem zeigen, wie aufgeheizt die Lage im Land ist, sind die Jeepney-Fahrer mit ihrer Anschauung nicht allein.
Das führende regierungskritische Onlineportal »Rappler« hat den Plan der Regierung schon im März als implizit »armenfeindlich« kritisiert – denn die meisten Jeepney-Fahrer seien Einzelunternehmer, die kaum genügend Geld umsetzten. Der philippinische Thinktank Center for Energy, Ecology and Development kam in einer Analyse zu dem Ergebnis, dass es unter klimapolitischen Gesichtspunkten klüger wäre, sich mit neuen Regeln auf die immer mehr und voluminöser werdenden Pkw zu konzentrieren.
Weil zuletzt auch größere Medien immer wieder die Pläne der Regierung hinterfragt haben, ist sie mittlerweile zurückgerudert – aber nur teilweise. »Es wird den Ausstieg weiterhin geben«, erklärte zuletzt Teofilo Guadiz, der Vorsitzende der Regulierungsbehörde für Landtransport. »Aber dies wird in zwei oder drei Jahren geschehen.« Die Fristen laufen weiter, nur werde es längere Übergangszeiten geben. Fahrer haben mehrmals dagegen protestiert – ohne den Klimawandel infrage zu stellen, vielmehr mit der Forderung, dass ihnen der Übergang einfacher gemacht werde.
Rene Mangahas glaubt, dass die Maßnahme, die Jeepneys ohne großzügige Subventionsprogramme künftig einfach zu verbieten, ohnehin nach hinten losgehen könnte: »So werden Hunderttausende Fahrer ihr Geschäft aufgeben müssen, und so können sich Millionen Menschen täglich nicht mehr wie bisher relativ günstig durch die Stadt bewegen.« Wer es sich leisten könne, werde sich dann ein eigenes Auto kaufen. »Aber der Individualverkehr ist doch eigentlich das, was man aus klimapolitischen Gründen verbieten sollte.«
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