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Wahl in Brandenburg: Linke-Bürgermeisterin Hustig will antreten
Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) will bei der Landtagswahl im September 2024 antreten
Ihr ganzes Berufsleben auf demselben Arbeitsplatz, das ist nichts für Ute Hustig. »Irgendwann muss man mal was anderes machen«, ist sie überzeugt. Angefangen hat sie einst als Ingenieurökonomin in der DDR bei der Zivilverteidigung. Heute würde man zum besseren Verständnis sagen, beim Katastrophenschutz. Aber dann kam die Wende und Hustig gehörte zu den ersten Ostdeutschen bei der neuen Investitionsbank des Landes Brandenburg, arbeitete sogar schon bei deren Vorgängergesellschaft. Die Förderung des Wohnungsbaus war dort ihre Aufgabe.
Hustig qualifizierte sich zur Fachwirtin für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, hat einen Abschluss in Wirtschaftspsychologie – und ist seit Oktober 2010 hauptamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Nuthetal, die sich südlich an Potsdam anschließt und zum Berliner Speckgürtel gehört. 2018 wiedergewählt, läuft ihre Amtsperiode noch bis Mai 2026. Danach würde sie getreu ihrem Lebensmotto etwas anderes machen wollen. Sie hat bereits vor vielen Jahren angekündigt, dass 16 Jahre als Bürgermeisterin genug sein sollen und sie sich nicht noch ein drittes Mal um diesen Posten bewerben werde. Sie hatte auch schon eine Vorstellung, was sie dann machen wollte. Was das sein sollte, möchte sie nicht verraten.
Aber dann kam vor zwei Monaten eine andere Idee. Hustig hat eingehend darüber nachgedacht und sich entschieden, bei der Brandenburger Landtagswahl am 22. September 2024 für Die Linke anzutreten. Stellvertretende Landesvorsitzende war sie von 2014 bis 2016. Der damalige Landesvorsitzende und Finanzminister und derzeitige Bundestagsabgeordnete Christian Görke erinnert sich noch gut daran und lobt Hustig als »kompetente und anerkannte Persönlichkeit«.
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Aber für den Landtag kandidierte Hustig bislang noch nie. Am Sonntag wird sie 60 Jahre alt. Am Samstag soll sie im Gemeindezentrum von Wilhelmshorst als Direktkandidatin im Wahlkreis 20 nominiert werden. Andere Bewerber haben sich nicht gemeldet. Die Linke will dort auch gleich noch ihre Kandidaten für die Wahlkreise 16 und 18 bestimmen. Dafür haben sich Christoph Jantc beziehungsweise Björn Oesingmann gemeldet.
Die Nachricht, dass die Bürgermeisterin bei der Landtagswahl antreten wolle, habe etliche schon enttäuschte und frustrierte Genossen motiviert, sich doch am Wahlkampf zu beteiligen, erzählt Hustig. Sie freut sich sehr darüber. »Motivieren kann ich«, verspricht sie. Und auch kämpfen. »Das zeichnet mich aus, dass ich kämpfen kann.« Trotz ihrer bald 60 Jahre fühlt sich die Kommunalpolitikerin »noch total fit«. Sie treibe Sport, nehme am Rennsteiglauf teil (da schließt sie sich immer der nd-Mannschaft an) und sei auch schon mehrfach den 73 Kilometer langen Super-Marathon gelaufen. Der Kampfgeist hilft auch in der Kommunalpolitik. Da gebe es viele Dinge, um die gekämpft werden müsse: Radwege, die in Nuthetal im Jahr 2010 noch an vielen Stellen fehlten, und weitere Busverbindungen – eine neue werde es im kommenden Jahr geben. »Der Fünf-Jahres-Plan steht. Da kann ich jetzt gut loslassen. Die Visionen sind da. Es muss nur noch umgesetzt werden«, begründet die Bürgermeisterin ihren ins Auge gefassten Wechsel in die Landespolitik. Wenn es aber im September 2024 nicht klappen sollte mit dem Einzug in den Landtag, dann würde es Hustig nicht schwer nehmen, noch bis Mai 2026 voller Elan Bürgermeisterin bleiben und diesen Posten dann erst abgeben und etwas anderes machen.
Zum Landtagswahlkreis 20 gehören die Stadt Teltow sowie die Gemeinden Kleinmachnow, Nuthetal und Stahnsdorf, alle gelegen im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Es ist bei der derzeitigen Lage der brandenburgischen Linken die Frage, ob die Partei auch nur einen einzigen der insgesamt 44 Landtagswahlkreise gewinnen kann. 2004 hatten die Sozialisten 23 Wahlkreise gewonnen und 2009 waren es 21. Aber in jenen Jahren erzielte die Partei auch Rekordergebnisse von 28 und 27,2 Prozent. Das ist lange her. Bei der Landtagswahl 2019 konnte Die Linke keinen einzigen Wahlkreis mehr holen. Es ist damit zu rechnen, dass dies 2024 genauso sein wird. Hustig weiß, wie schwer es ist, und möchte trotzdem nichts unversucht lassen. 2019 gewann Sebastian Rüter (SPD) den Wahlkreis 20 mit 26,8 Prozent der Stimmen. Er distanzierte die Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl, die 20,5 Prozent erhielt. Abgeschlagen landeten Hans-Stefan Edler (AfD) mit 12,9 Prozent und Marlen Block (Linke) mit 7,9 Prozent. Die Rechtsanwältin Marlen Block zog aber dennoch in den Landtag ein – über die Landesliste der Sozialisten.
Das strebt Hustig auch an. Sie möchte sich für den aussichtsreichen Listenplatz drei bewerben. Hustig genießt dabei die Unterstützung anderer Bürgermeister der Linken. Es gibt ein Schreiben an den Landesvorstand, in dem die Bürgermeister Uta Barkusky (Müncheberg), Detlef Tabbert (Templin), André Stahl (Bernau) und Marco Beckendorf (Wiesenburg) Hustigs Kandidatur begrüßen und sie für den Listenplatz drei vorschlagen. Mitgezeichnet haben das mit Kornelia Wehlan auch die Landrätin von Teltow-Fläming und mit Karsten Knobbe (Hoppegarten) und Holger Kippenhahn (Heiligengrabe) auch zwei ehemalige Bürgermeister. »Ute bringt viel Expertise aus dem Bereich Finanzen mit«, lobt der Wiesenburger Bürgermeister Beckendorf, der selbst auf diesem Gebiet sehr beschlagen ist. »Das ist ein Thema, bei dem wir Linke unterschätzt werden«, sagt er.
Wenn Die Linke die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, müsste der Listenplatz drei ein sicherer Listenplatz sein. Es gilt in Brandenburg die Faustregel, dass ein Prozent ungefähr für einen Sitz im Landtag reicht. Bei der Landtagswahl 2019 erzielte Die Linke 10,7 Prozent. Die Linksfraktion besteht darum gegenwärtig aus zehn Abgeordneten. Bei einer im September veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap stand Brandenburgs Linke bei acht Prozent. Die nächste Umfrage des Insa-Instituts im November bezog dann schon die erst noch zu gründende Partei der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht ein. Diese Partei würde demnach elf Prozent erhalten. Die Auswirkung für Wagenknechts ehemalige Genossen: Die Linke könnte nur noch mit sechs Prozent rechnen.
Dass ihre Partei unter fünf Prozent abrutscht, glaubt Hustig nicht. Wenn man die Bevölkerung emotional anspreche, zuhöre und die Probleme der Menschen ernst nehme, dann müsste es klappen, meint sie. »Wenn wir den Wahlkampf so führen, dann schaffen wir auch die Fünf-Prozent-Hürde.« Zu intellektuell aufzutreten, wie es die Sozialisten leider oft tun, dann vielleicht gar belehrend wie die Grünen, das sei ein Fehler, sagt Ute Hustig.
In der vergangenen Woche sind 25 Genossen aus Brandenburg kollektiv aus der Linken ausgetreten. Sie wollen sich der Wagenknecht-Partei anschließen. In der Austrittserklärung, die aus Potsdam-Mittelmark der frühere stellvertretende Kreisvorsitzende Bernd Lachmann unterzeichnet hat, wird der Linken in Anspielung auf das Verhalten der SPD im Ersten Weltkrieg unterstellt, sie setze auf einen Burgfrieden, trage angesichts des Krieges in der Ukraine im Wesentlichen den Kurs der Bundesregierung mit und beschränke sich darauf, »die Folgen des imperialistischen Wirtschaftskriegs sozial etwas erträglicher gestalten zu wollen und aktuell noch Rüstungsexporte an Kiew abzulehnen«. Aber selbst diese Position beginne zu bröckeln.
Den Vorwurf, die Rest-Linke trete nicht entschieden für den Frieden ein, weist Hustig zurück. Sie sei persönlich im Februar mit anderen Linken nach Berlin gefahren und habe am Brandenburger Tor an der großen Friedenskundgebung mit Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer teilgenommen, betont sie. Auch im November bei der neuerlichen Friedensdemonstration mit Wagenknecht, zu der diesmal auch Die Linke aufgerufen hatte, sei sie dabei gewesen. Hustig ist erschüttert, dass es keine Bemühungen um Friedensverhandlungen gibt. »Da könnte und sollte Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen und das fehlt mir vollkommen bei der Bundesregierung.« Schließlich gehe es hier um viele Menschenleben, um den Tod Unschuldiger – und zu den Unschuldigen rechnet sie auch die zum Kriegsdienst verpflichteten Soldaten. »Wir müssen wegkommen von diesen Rüstungsexporten und wieder fragen: Wer verdient an Kriegen, wer hat Interesse an Kriegen?«
Während Bürgermeisterin Hustig erst noch für die Landtagswahl nominiert werden muss, ist das bei einem ihrer Genossen mit einschlägiger Erfahrung bereits geschehen. Denn der langjährige frühere Landtagsabgeordnete und zeitweilige Justizminister Stefan Ludwig war zwischendurch auch acht Jahre Bürgermeister seiner Heimatstadt Königs Wusterhausen. Gegenwärtig ist er Linksfraktionschef im Kreistag Dahme-Spreewald – und für die Landtagswahl 2024 als Direktkandidat in seinem Wahlkreis nominiert.
Im Landtag würde sich Hustig, die im Moment im Präsidium des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes sitzt, weiter für die Kommunen einsetzen – etwa für deren Finanzierung. Eine ihrer Ideen: Nicht einfach nur Zuschüsse zahlen, die von den Städten und Gemeinden ohne großes Überlegen über den Sinn des jeweiligen Projekts einfach mal mitgenommen werden. Stattdessen sollte das Land Brandenburg über seine Investitionsbank zinslose Kredite anbieten, mit denen dann beispielsweise der Bau von Schulen finanziert werden könnte.
In Nuthetal hat die Bürgermeisterin den Haushalt saniert. In wirtschaftlich günstigen Jahren konnten seit 2011 Rücklagen gebildet werden. »Jetzt leben wir davon. Wir müssen auch nächstes Jahr noch keinen Kredit aufnehmen.« Hustig versichert aber, dass Kredite für Investitionen nicht schlimm sind, sondern durchaus sinnvoll sein können. »Schlimm sind Kredite, wenn sie verfressen werden.«
Die eine oder andere Anregung erhält Bürgermeisterin Hustig von der Gemeindevertreterin Heidi Hustig (Linke). Es ist ihre 33 Jahre alte Tochter, mit der sie sich über verschiedene kommunalpolitische Fragen austauscht. »Sie fragt mich manchmal: ›Hast du dir das gut überlegt?‹ Das finde ich gut.« Ute Hustig hat zwei Töchter und eine Enkeltochter. Die zweite Enkelin ist unterwegs.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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