Gedenkort für Opfer von Brechmitteleinsätzen in Bremen

Bis 2005 wurden vermeintlichen Drogendealern Brechmittel verabreicht, einige starben an dieser Methode. Ein Mahnmal wurde lange gefordert

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Mahnmale für Opfer gibt es in Deutschland viele. Sie erinnern meist an Opfer staatlicher Gewalt im Ausland, an die des Naziregimes oder der DDR. Doch in Bremen soll es nun auch einen Gedenkort für ganz aktuelle Opfer politischer Gewalt in der Bundesrepublik geben.

Zwischen 1991 und 2006 wurden Menschen, die des Drogenhandels verdächtig waren, Brechmittel verabreicht, da Dealer ihre Drogen oft verschluckten und im eigenen Magen versteckten. 1992 wurde die Methode von einer Koalition aus SPD, FDP und Grünen in Bremen institutionalisiert. Zunächst protestierten vor allem antirassistische Gruppen gegen diese Maßnahme, von der überwiegend Personen mit migrantischem Hintergrund betroffen waren.

So richtete das Anti-Rassismus-Büro Bremen (ARAB) 1996 einen offenen Brief an den damaligen Justizsenator Hennig Scherf (SPD) mit der Forderung, die Verabreichung von Brechmitteln zu stoppen. Zudem dokumentierte es Berichte von Betroffenen in der Broschüre »Polizisten, die zum Brechen reizen«. Gegen zwei Mitarbeiter*innen des ARAB wurde daraufhin wegen »Volksverhetzung« ermittelt, die Broschüre im Rahmen einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt.

1995 erklärte ein Gericht die Verabreichung von Brechmitteln für legitim. Auch die Bremer Ärztekammer kam zu dem Schluss, dass die Vergabe von Brechmitteln »vereinbar mit dem ärztlichen Berufsethos« sei. Betroffene wehrten sich juristisch gegen diese Methode. Dazu gehörte Abu Bakah Jalloh. Doch das Bundesverfassungsgericht lehnte seine Beschwerde gegen Urteile mehrerer Gerichtsinstanzen, die den Brechmitteleinsatz billigten, ab.

1996 entschied das Oberlandesgericht Bremen erstmals, dass die Vergabe von Brechmitteln rechtswidrig und durch die Strafordnung nicht gedeckt sei. Nachdem Achidi John am 12. Dezember 2001 bei einer zwangsweisen Brechmittelvergabe gestorben war, wurde die Methode in Berlin und Niedersachsen verboten. Doch erst nach dem Tod von Laye-Alama Condé im Jahr 2005, ebenfalls durch zwangsweisen Brechmitteleinsatz, in Bremen setzte auch dieses Bundesland die Tortur aus. Condé ertrank, weil bei dem Verfahren Wasser in seine Lunge lief. Ein Jahr später gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Klage von Abu Bakah Jalloh statt und kam zu dem Schluss: »Die Brechmittelvergabe ist unmenschlich und erniedrigend, sie verstößt gegen das Folterverbot.« Dabei war längst bekannt, dass die Methode lebensbedrohlich ist.

Schon früh hatten die von der Foltermaßnahme Betroffenen und ihre Angehörigen die Forderung nach einem Gedenkort erhoben. Es ist ein später Erfolg, dass es diesen nun geben soll und die südafrikanische Bildhauerin Usha Seejarim das Bremer Denkmal »Death by Drowning« (Tod durch Ertrinken) gestalten soll. Doch die Initiative erinnert auch daran, dass die Entschädigung aller Opfer dieser Maßnahme noch aussteht. »Die Betroffenen sind bis heute von offizieller Seite weder um Verzeihung für das ihnen zugefügte Leid gebeten worden, noch haben sie eine Entschädigung für die körperliche Misshandlung erhalten – beides müssen die politisch Verantwortlichen noch leisten«, so Gundula Oerter von der Gedenkinitiative.

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