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Was haben Porsche, Vonovia und Zalando gemeinsam?
Auch bei deutschen Großunternehmen ist Tarifbindung keine Selbstverständlichkeit mehr
Während die Regierungskoalition neue Sparpakete ankündigt, die Wirtschaftsleistung stagniert und die Inflation tiefe Löcher in die Budgets der deutschen Haushalte frisst, geht es an der Börse bergauf. Der Deutsche Aktienindex (Dax) feierte in den vergangenen Tagen einen Rekord nach dem anderen. Das liegt zum Teil an der Aussicht auf sinkende Zinsen. Aber auch insgesamt geht es den 40 Dax-Konzernen recht gut, trotz Konjunkturflaute. Dieses Jahr werden sie rekordhohe Dividenden an Aktionär*innen ausschütten. Bemerkenswert dabei: Laut einer neuen Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ist fast ein Fünftel aller Dax-Konzerne komplett ohne Tarifvertrag.
Im fast abgelaufenden Jahr liefen die Geschäfte gut für die meisten der großen Konzerne. »Der von manchen Investoren befürchtete deutliche Rückgang der Dax-Unternehmensgewinne ist 2023 nicht eingetreten«, konstatiert die Commerzbank. Vor dem Hintergrund dieser robusten Gewinnentwicklung erwarteten die Unternehmensanalysten, dass 21 Dax-Unternehmen ihre Dividende für das Geschäftsjahr 2023 anheben würden. Nur für drei Unternehmen werde eine niedrigere Dividende prognostiziert. Die Dax-Dividendensumme dürfte laut Commerzbank damit um zwei Prozent auf den Rekordwert von knapp 53 Milliarden Euro steigen. Einen Großteil davon steuerten die Autokonzerne bei.
Von den guten Geschäften haben auch die Beschäftigten etwas: Großunternehmen zahlen im Durchschnitt besser als kleinere und sie binden sich deutlich häufiger an einen Tarifvertrag als kleinere. Laut Böckler-Stiftung zahlten im vergangenen Jahr 72 Prozent der Betriebe mit mehr als 201 Beschäftigten nach Tarif. In der Größenklasse mit 21 bis 50 Beschäftigten seien es dagegen nur 37 Prozent gewesen und bei Kleinbetrieben mit weniger als fünf Beschäftigten gerade einmal 16 Prozent. Dennoch gebe es hier auch bei den Dax-Schwergewichten Lücken.
Immerhin sieben beziehungsweise 17,5 Prozent der im Dax notierten Konzerne sind überhaupt nicht an einen Tarifvertrag gebunden, so die Stiftung. Dabei handele es sich um SAP, die Deutsche Börse, den Chemikalienhändler Brenntag, die Holdinggesellschaft Porsche SE, das Biotechnologieunternehmen Quiagen, den Wohnungskonzern Vonovia und den Onlinehändler Zalando. »Dies belegt, dass auch bei Großunternehmen eine Tarifbindung keineswegs mehr automatisch gegeben ist«, schreiben die Studienautoren. Jenseits des Dax machten zudem internationale Konzerne wie Tesla oder Amazon Schlagzeilen damit, dass sie für ihre deutschen Niederlassungen den Abschluss von Tarifverträgen verweigern.
Konzerne sollen die Fakten offenlegen
Zwar liegt in der obersten deutschen Börsenliga die Quote der Tarifbindung weit über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Eine tiefergehende Analyse zeige jedoch auch für die erste Liga der Börsen-Konzerne »mehr oder weniger große Lücken« in der Tarifbindung, konstatiert die Böckler-Stiftung. Denn: Auch in mehreren tarifgebundenen Konzernen gelten für manche Teil- oder Tochtergesellschaften keine Tarifverträge, wie die Studie an verschiedenen Beispielen zeigt. »Dies ist oft das Ergebnis einer bewussten Unternehmenspolitik, derzufolge zum Beispiel Produktionsunternehmen bestimmte Dienstleistungen in unternehmenseigene Servicegesellschaften ausgliedern, die dann entweder einem schlechteren oder gar keinem Tarifvertrag unterliegen.« Tendenzen zur Aufweichung der Tarifbindung sind laut der Studie selbst in etablierten, milliardenschweren Konzernen unübersehbar.
Einfach verfügbare Informationen in Sachen tariflicher Bezahlung in Unternehmen gebe es nur in Einzelfällen, kritisieren die Forscher und fordern mehr Transparenz als eine Voraussetzung dafür, die Tarifbindung wieder zu stärken. Die Dax-Konzerne könnten aufgrund ihrer ökonomischen Bedeutung und der damit verbundenen öffentlichen Aufmerksamkeit eine besondere Rolle spielen. Als ersten Schritt empfehlen die Forschenden, dass die Konzerne im Börsenindex als Teil ihrer Berichtspflicht vollständige Transparenz über die Geltung von Tarifverträgen herstellen müssen.
Als konkreter Ansatzpunkt für eine verbindlichere Berichterstattung biete sich die neue EU-Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen an. Für mehr Transparenz könnte eine Berichtspflicht sorgen, bei der Großunternehmen angeben müssen, in welchen Konzernsparten ein Tarifvertrag gilt – und welcher das ist. Dies würde bei der dringend notwendigen Stärkung des Tarifsystems helfen, erwarten die Forschenden.
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