Gerechtigkeit für Mouhamed Dramé?

Prozessbeginn zur Tötung des senegalesischen Jugendlichen durch die Polizei in Dortmund

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.

»Justice for Mouhamed«: Mit diesem Slogan will der »Solidaritätskreis Mouhamed« Gerechtigkeit schaffen für Mouhamed Lamine Dramé, jenem jungen Flüchtling aus dem Senegal, der bei einem völlig aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz im Sommer des vergangenen Jahres von einem Polizisten aus nächster Nähe erschossen worden war. Der Fall löste nicht nur am Tatort in der Dortmunder Nordstadt Betroffenheit, tiefe Trauer und Unverständnis aus.

Nachdem die politische Aufarbeitung sich lange hinzog, beginnt die lang erwartete juristische Aufarbeitung am heutigen Dienstag – nach knapp anderthalb Jahren – vor dem Landgericht Dortmund. Auf der Anklagebank der 39. Großen Strafkammer sitzen fünf Polizisten und Polizistinnen. Sie sollen Dramé am 8. August 2022 auf dem Innenhof einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung mit verschiedenen Waffen traktiert und schließlich mit einer Maschinenpistole erschossen haben. Gerufen worden waren die Polizisten, weil der Jugendliche laut einem Betreuer damit gedroht haben soll, sich mit einem Messer das Leben zu nehmen.

Insgesamt waren an dem Einsatz elf Polizisten beteiligt, keiner von ihnen hatte seine Bodycam aktiviert. Die Beamten haben nach ihrer Darstellung versucht, mit dem Jungen, der sich offenkundig in einer psychischen Ausnahmesituation befand, zu sprechen – angeblich ohne Erfolg. Als Dramé auf die Beamten zuging, setzten diese zunächst Pfefferspray und Taser ein. So jedenfalls lautet die Version der Angeklagten. Zwischen dem Einsatz der Taser und den tödlichen Schüssen lag weniger als eine Sekunde.

Angeklagt ist unter anderem der 30-jährige Todesschütze Fabian S. wegen Totschlags. Zwei seiner Kolleginnen (34 und 29 Jahre) und einem Kollegen (34 Jahre) werden gefährliche Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Ihnen wird in einem Fall der ungerechtfertigte Einsatz von Pfefferspray und in zwei weiteren Fällen der ungerechtfertigte Einsatz von als »Distanzelektroimpulsgeräten« bezeichneten Tasern zur Last gelegt.

Ihr ebenfalls vor Gericht stehender Dienstgruppenleiter (55 Jahre) soll sie zu diesen gefährlichen Körperverletzungen im Amt angestiftet haben, bestätigt das Landgericht Dortmund auf Nachfrage des »nd«. Dieser ist sich laut Medienberichten keiner Schuld bewusst. Er habe das »mildeste Mittel« im Einsatz gewählt und entsprechend der Dienstvorschrift gehandelt.

Mouhamed starb nach fünf Schüssen aus der Maschinenpistole von Fabian S., der auf dessen Oberkörper und Kopf gezielt hatte. Dramés Tod wurde dabei billigend in Kauf genommen, sagt die Staatsanwaltschaft. Sie sieht laut WDR keinen »rechtfertigenden Anlass« für den Einsatz dieser Waffe. Auch der Einsatz des Pfeffersprays sei zu dem Zeitpunkt nicht notwendig und damit unverhältnismäßig gewesen, sagt Oberstaatsanwalt Carsten Dombert dem Sender. Eine Notwehrsituation, die letztlich die fatale Intervention hätte rechtfertigen können, sieht die Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht. Stattdessen sei die laut Dombert ansonsten »statische Lage« eskaliert.

Rechtsanwältin Lisa Grüter, mit der das »nd« schon im Februar gesprochen hatte, vertritt die Familie von Mouhamed Dramé. Sie spricht von einer moralischen Schuld des Einsatzleiters, auch wenn dieser von der Staatsanwaltschaft nur der Anstiftung bezichtigt wird. Er habe die Mischbewaffnung, den Einsatz von Pfefferspray und Tasern und die Aufstellung der Beamten sowie den Standort des sogenannten Sicherungsbeamten mit der Maschinenpistole angeordnet.

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Der martialische Einsatz sorgte auch für ein bundesweites Medienecho. In den Fokus geriet vor allem die umstrittene und sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt sehende Nordwache, deren Schließung der Solidaritätskreis »Justice for Mouhamed« nun fordert. Hierzu haben die Aktivisten regelmäßige Mahnwachen sowie Kundgebungen organisiert.

Als Nebenkläger treten der Vater und der Bruder des Toten im Prozess auf. Anwaltlich vertreten werden sie vom Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes, der sich als Kriminologe immer wieder kritisch mit Polizeigewalt auseinandergesetzt hat. Zuletzt hat er sich intensiv mit der Rolle von Polizeibeamten im Umgang mit psychisch Erkrankten befasst – eine Konstellation, die immer häufiger werde und für die es laut Feltes an polizeilicher Fortbildung mangele.

In Dramés westafrikanischer Heimat wurde die Tragödie ebenso intensiv verfolgt, viele Medien thematisierten den Tod ihres jungen Landsmannes. Die Familie des Getöteten wünscht sich ebenfalls Gerechtigkeit und eine Aufarbeitung des Polizeieinsatzes. Sie fordert auch, dass über Polizeigewalt an Schwarzen Menschen in Deutschland kritischer diskutiert wird.

Die Familie des Toten möchte 2024 auch selbst an dem Prozess teilnehmen, der Solidaritätskreis kümmert sich dazu um Visa und die Übernahme der Reisekosten. »Dabei ist die Familie auf Spenden angewiesen«, heißt es von der Initiative, die dazu ein Konto eingerichtet hat.

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