Berliner Jugendkultur: Hoffnung für die Linse

Lichtenberger Jugendclub Linse will zusammen mit Potse-Kollektiv neu eröffnen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.
Für die Lichtenberger Linse, die am 21.12. schließt, könnte sich bald schon anderorts eine Tür öffnen.
Für die Lichtenberger Linse, die am 21.12. schließt, könnte sich bald schon anderorts eine Tür öffnen.

Am 21. Dezember ist erst einmal Schluss im Jugendclub Linse in Lichtenberg. Nach 40 Jahren schließt der langjährige Treffpunkt in der Nähe der S-Bahngleise. Denn die Sozdia-Stiftung wird das Zentrum nicht mehr weiterbetreiben – nach eigenen Angaben wegen mangelnder Finanzierung durch den Bezirk.

Aber Mohannad macht diese Nachricht nicht traurig. Der junge Mann ist aktiv im Solidaritätsnetzwerk Berlin, das sich regelmäßig in der Linse getroffen hat. In den letzten Monaten hat das Solinetzwerk immer wieder Kundgebungen und auch eine Demonstration durch Lichtenberg organisiert, um für den Erhalt des Jugendclubs zu kämpfen.

Dass die vorübergehende Schließung Mohannad nicht pessimistisch stimmt, hat mit der Resonanz zu tun, die dieser Protest auslöste. Höhepunkt war ein Runder Tisch am 13. Dezember, auf dem sich ehemalige und aktuelle Nutzer*innen des Jugendclubs trafen. Sie waren sich schnell einig, dass die Linse weiter bestehen soll – und zwar mit dem Kollektiv des Jugendzentrums Potse als neuen Träger.

»Aber das wird nur geschehen, wenn sich die Jugendlichen und andere potenzielle Nutzer*innen organisieren und an die Öffentlichkeit gehen«, erklärte Tobias Krüger gegenüber »nd«. Er ist Vorsitzender des Gemeinnützigen Vereins LibeRo e.V., der seinen Sitz in der Linse hat. Vereinsziel ist die Unterstützung von Jugendkultur in Berlin. Auf die Bezirkspolitik ist Krüger nicht gut zu sprechen. »Die Politiker*innen haben sich nie für die Linse organisiert. Ohne die Proteste der Jugendlichen wäre der Club geschlossen worden.«

Davon ist auch Mohannad überzeugt. Schließlich sorgte sein Solinetzwerk nicht nur für wöchentliche Kundgebungen vor dem Rathaus Lichtenberg. Im Dezember nahmen sie auch an einer Sitzung der BVV teil. Obwohl die drohende Schließung der Linse nicht auf der Tagesordnung stand, konnten sie ihr Anliegen im Rahmen einer Bürger*innenanfrage vortragen. Was die Unterstützer*innen der Linse besonders freut: Es gibt einen Träger, der die Arbeit in der Linse fortsetzen würde.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Dabei handelt es sich um das Kollektiv des selbstverwalteten Jugendzentrums Potse, das über viele Jahre sein Zentrum im Stadtteil Schöneberg hatte, bis es schließlich der Gentrifizierung weichen musste. Doch wie bei der Linse gibt es auch bei der Potse selbstbewusste Nutzer*innen, die sich für den Erhalt ihres Jugendzentrums einsetzen. Sie organisierten Veranstaltungen und Demonstrationen. Schließlich zog die Potse in einen Ausweichort in die Zollgarage am Columbiadamm. »Doch hier können wir unsere Angebote nur in begrenztem Maße anbieten«, erklärte Paul vom Potse-Kollektiv. Zudem sind vom Bezirk zugesagte Maßnahmen der Sanierung und Lärmdämmung nicht eingehalten worden. »Wir waren auf der Suche nach Ersatzräumen und haben durch die Arbeit des Solinetzwerkes erfahren, dass Jugendliche sich für den Erhalt der Linse einsetzen«, erklärte Janine vom Potse-Kollektiv. »Wir trafen uns und entwickelten zusammen mit der Linse den Plan, dass wir unsere Räume in diesen Räumen fortsetzen können«, beschreibt Paul den Prozess der Verständigung zwischen den unterschiedlichen Jugendzentren in West- und Ostberlin.

Ein Kampf mit gutem Ausgang, könnte man denken. Jugendliche gehen gegen die Schließung ihres Clubs an die Öffentlichkeit, treffen dort auf ebenso engagierte Menschen, die neue Räume für ihre Arbeit suchen. Das Potse-Kollektiv und die Linse hätten wieder eine Perspektive. Doch so weit ist es noch nicht, bedauert Mohannad. »Wir haben mit dem Runden Tisch erreicht, dass wir uns vernetzen und dass die Linse auch nach der Schließung nicht in Vergessenheit gerät«, sagt er. Janine und Paul hoffen, spätestens nach der Sanierung des Gebäudes die Räume der Linie nutzen zu können. Doch es könnte auch schon früher sein. Tobias Krüger betont, dass die Sanierungspläne eine weitere Nutzung der Räume ausdrücklich nicht ausschließen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.