Verschärftes Ausländerrecht: Gebürtige Franzosen bevorzugt

Frankreichs beschließt schärferes Ausländergesetz mit den Stimmen der Rechten und Rechtsextremen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist ein Kompromisstext, der am späten Dienstagabend in Frankreichs Nationalversammlung eine Mehrheit fand. Eine paritätisch besetzte Kommission aus je sieben Abgeordneten und Senatoren hatte ihn ausgehandelt. Für das umstrittene Ausländergesetz stimmten zusammen mit dem Regierungslager sämtliche Abgeordneten der rechtsbürgerlichen Oppositionspartei der Republikaner (LR) und des rechtsextremen Rassemblement National (RN). Insgesamt 59 Abgeordnete des Regierungslagers und der mit Emmanuel Macron verbündeten Zentrumsparteien, darunter ein Viertel der Fraktion der Regierungspartei Renaissance, verweigerten dem Gesetz ihre Stimme.

Vor der Abstimmung hatten aus Protest gegen das Zusammengehen mit den Rechtsextremen sieben Minister der Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne mit Rücktritt gedroht, darunter Gesundheitsminister Aurélien Rousseau und Verkehrsminister Clément Beaune. Daraufhin ließ Präsident Emmanuel Macron bekanntgeben, dass er die Annahme des Ausländergesetzes nur anerkennen werde, wenn dafür nicht die Stimmen des Rassemblement nötig gewesen wären. Die Auswertung des Votums ergab, dass es auch ohne die Rechtsextremen gereicht hätte.

Zu diesem Vorbehalt hatte der Zentrumsparteivorsitzende François Bayrou, der die Abhängigkeit der Regierung von LR und RN scharf kritisiert, seinem Freund Emmanuel Macron geraten. Historisch gibt es dafür ein Beispiel: 1954 hatte der seinerzeitige Regierungschef Pierre Mendes-France erklärt, er werde einen erfolgreich überstandenen Misstrauensantrag im Parlament nur anerkennen, wenn dafür nicht die Stimmen der Kommunisten nötig seien. Tatsächlich konnte er so noch einige Monate weiter regieren, bevor er der nächsten Regierungskrise zum Opfer fiel.

Seit der Wahl vom Juni 2022 ist die Regierung im Parlament auf die Stimmen von Les Républicains angewiesen. Und im Senat verfügen diese nach wie vor über die Mehrheit, so dass sie dort das Gesetz in erster Lesung ganz wesentlich verschärfen konnten. Die Republikaner betonen, dass der jetzt angenommene Text zu 90 Prozent ihren Positionen entspricht. Die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen spricht von einem »großen ideologischen Sieg« ihrer Bewegung. Sie betont besonders, dass sich die Regierung mit dem Gesetz das Prinzip der »nationalen Präferenz«, also die prinzipielle Bevorzugung geborener Franzosen, zu eigen gemacht hat.

Premierministerin Elisabeth Borne erklärte am Mittwochmorgen in einem Rundfunkinterview, der jetzt angenommene Gesetzestext entspreche dem Wunsch der großen Mehrheit der Franzosen, die einerseits eine zügige Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und von kriminellen Ausländern und andererseits die bestmögliche Integration derer wünschten, »die arbeiten und beweisen, dass sie die Werte der Republik respektieren«. Macron will das Einwanderungsgesetz vor seiner Inkraftsetzung noch vom Verfassungsrat prüfen lassen.

Zu den Maßnahmen, auf die das rechte Lager besonderen Wert gelegt hat und auf die die Regierung eingegangen ist, gehört die automatische Aberkennung der französischen Staatsangehörigkeit für Binationale, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt wurden. Die Bedingungen für die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft werden verschärft und insbesondere von den Sprachkenntnissen und einem Bekenntnis zu den Werten der Republik abhängig gemacht. In Frankreich geborene Ausländerkinder bekommen nicht mehr automatisch mit der Volljährigkeit die französische Staatsangehörigkeit, sondern müssen sie zwischen 14 und 18 Jahren beantragen.

Gemäß dem Prinzip der »nationalen Präferenz« bestimmt das neue Gesetz, dass die Zahlung von Kinder- und Wohngeld oder anderer Sozialhilfeleistungen sowie die Zuweisung einer Sozialwohnung davon abhängig gemacht werden, dass der antragstellende Ausländer bereits mindestens fünf Jahre legal in Frankreich lebt oder – falls er keine Papiere hat – hier bereits seit mehr als 30 Monaten ein Arbeitsverhältnis hat und dafür Steuern und Sozialabgaben zahlt. Über die kostenlose staatliche Gesundheitshilfe, die die Republikaner abschaffen wollen, soll demnächst gesondert entschieden werden.

Den Unmut vieler Universitäten hat der Gesetzespassus erregt, wonach Ausländer, die in Frankreich studieren wollen, dafür eine Kaution hinterlegen müssen. In einem Offenen Brief kritisieren die Präsidenten von 18 renommierten Universitäten, darunter die Pariser Sorbonne, diese Vorgabe sei »des Landes, das die Denker des ›Zeitalters des Lichtes‹ hervorgebracht hat, unwürdig«.

Der einzige Lichtblick: Während die Antragstellung für die Legalisierung illegal in Frankreich lebender Ausländer bisher durch den »Arbeitgeber« erfolgen musste – was viele von denen unterließen, um ausländische Beschäftigte weiter in Abhängigkeit zu halten – können diese das jetzt selbst beantragen. Allerdings gibt es nun doch keinen Rechtsanspruch auf Legalisierung, wie es ursprünglich das Gesetz vorsah. Das haben die Republikaner verhindert. Die Präfekte müssen über jeden Fall einzeln entscheiden.

Innenminister Gérald Darmanin betont, dass die gegenwärtige Regierung die erste ist, die das Recht auf die Legalisierung von Ausländern und die Bedingungen dafür in einem Gesetz festschreibt. Die bisherigen Linksregierungen – anggefangen bei Staatspräsident François Mitterrand 1981 – hätten Legalisierungen immer nur kampagnenartig und als demonstrative Gnade gewährt.

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