Russischer Konzern Rosatom soll in Lingener Atomfabrik einsteigen

Im Januar startet die öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen für die Erweiterung der Brennelementefabrik Lingen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke und dem auch von Bürgerbewegungen erkämpften Aus für das Zwischenlager Würgassen nimmt die Anti-AKW-Bewegung jetzt die noch betriebenen Atomanlagen ins Visier. Ihr Blick richtet sich vor allem auf die Brennelementeschmiede im niedersächsischen Lingen, die ebenso wie die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau vom Atomausstieg ausgeklammert ist.

Brennelemente für AKW werden in Lingen schon seit 1979 gefertigt. Betreiber der Fabrik ist aktuell das Unternehmen »Advanced Nuclear Fuels« (ANF), eine Tochter des französischen Konzerns Framatome, der zum staatlich dominierten Stromriesen Électricité de France (EdF) gehört. Die Lingener Fabrik beliefert Atomkraftwerke unter anderem in den Niederlanden, in Belgien und in der Schweiz mit frischem Uranbrennstoff.

Demnächst könnte es sogar zu einer Erweiterung der Anlage kommen. Framatome hat nämlich ein Joint Venture mit TWEL, einer Tochter des russischen staatlichen Atomkonzerns Rosatom, vereinbart. Die zuletzt nicht ausgelastete Fabrik soll künftig auch Brennstäbe für Reaktoren russischer Bauart produzieren. Ein entsprechender Antrag liegt seit dem Frühjahr dem niedersächsischen Umweltministerium als atomrechtlicher Genehmigungsbehörde vor.

Am Mittwoch kündigte das Ministerium an, die Antragsunterlagen zur Erweiterung der Anlage ab dem 4. Januar öffentlich auszulegen. Bis zum 3. März sind Einsprüche gegen das Vorhaben möglich. Die Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt kritisiert, dass das Ministerium dabei die Rolle von Rosatom verschweige. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, wer künftig in Lingen »mit nuklearem Material hantieren« wolle und wer Zugriff auf sicherheitsrelevante Informationen aus Atomanlagen in der ganzen Welt bekommen könnte, mahnt .ausgestrahlt-Sprecher Armin Simon. Niedersachsens Atomaufsicht verschleiere die Bedeutung dieses Projekts und mögliche Sicherheitsgefahren.

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Die dem Kreml unterstellte Atomenergieagentur Rosatom mit mehreren Tochterkonzernen ist nach Recherchen des russischen Umweltaktivisten und Trägers des Alternativen Nobelpreises Wladimir Sliwjak aktiv am Krieg gegen die Ukraine beteiligt. Rosatom kontrolliert die zivile und militärische Atomindustrie Russlands. Mit der Beteiligung am Bau von AKW und anderen Anlagen in zahlreichen Ländern schaffe die Agentur Abhängigkeiten und setze so geopolitische Ziele des Kreml um, sagen Sliwjak und andere.

Wenn der Ausbau genehmigt wird, kommen voraussichtlich russische Sezialisten nach Lingen. Direkt dem Kreml unterstellte Personen erhielten Zugang zu hochsensibler kerntechnischer Infrastruktur in Deutschland, warnt das Bündnis Atomkraftgegner im Emsland (AgiEL) – »ungeachtet der kriegerischen Übernahme des AKW Saporischschja durch Experten von Rosatom, ungeachtet der jetzt schon von vielen EU-Ländern geforderten Handelssanktionen gegen Russland auch im atomaren Bereich, ungeachtet des noch immer währenden russischen Angriffskriegs auf die Ukraine«. Auch Armin Simon von .ausgestrahlt fordert, diese Risiken müssten im Genehmigungsverfahren zwingend erörtert und berücksichtigt werden.

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