Schleppende Klima- und Energiepolitik

Die Ampel-Koalition hat viele Projekte ins kommende Jahr verschoben

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 5 Min.

Um die Weihnachtstage wütete der Sturm »Zoltan« über Deutschland, gefolgt von endlosen Regenfällen. Deiche weichten auf, Orte wurden eingeschlossen oder mussten evakuiert werden. In Sachsen und Niedersachsen gilt Hochwasseralarm. Schon vor zwei Monaten hatte Sturm »Viktor« für das schwerste Ostseesturmhochwasser seit 1872 gesorgt. Die Schäden an Küsten, Stränden, Hochwasseranlagen, Häfen und Booten in Deutschland werden inzwischen auf etwa 200 Millionen Euro geschätzt.

Wie für Hitzetage gilt für extreme Niederschläge: Ein einzelnes Hochwasser lässt sich nicht mit dem Klimawandel erklären. Das unterstreicht auch der vom Bundesumweltamt im November veröffentliche Monitoringbericht 2023 zur deutschen Klimaanpassungsstrategie. Dafür weisen Atmosphärenbedingungen und Großwetterlagen, die Hochwasser begünstigten, eine zu große Variabilität auf.

Allerdings heißt es im Bericht auch: Mit der Erderwärmung kann die Atmosphäre mehr Wasserdampf speichern, also mehr Feuchtigkeit aufnehmen, und das Potenzial für Starkregen nimmt zu. Zudem könnten Westwindlagen im Winter künftig häufiger auftreten – Wetterlagen, die uns zuletzt »Viktor« und »Zoltan« bescherten.

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Hochwasserereignisse werden noch von zahlreichen anderen Entwicklungen bestimmt, hält der Monitoringbericht weiter fest. So führten zunehmende Versiegelung und Bodenverdichtung sowie Begrenzungen natürlicher Überflutungsflächen und Eindeichungen zu höheren und schnelleren Abflüssen in die Flüsse.

Angesichts dessen erscheint es dringlich, nicht nur Deiche, sondern auch die deutsche Klimaanpassungsstrategie zu erneuern. Die wurde 2020 zum zweiten und bislang letzten Mal aktualisiert.

Eilig mit einer erneuten Anpassung hat es die Ampel freilich nicht. Frühestens im Oktober 2024 soll eine neue Anpassungsstrategie vom Bundeskabinett beschlossen werden, besagt der jetzt veröffentlichte Arbeitsplan des Bundesumweltministeriums.

So gemächlich wird es bei den Gesetzen zur Energiewende kommendes Jahr nicht zugehen. Dort hat die Ampel einen wahren Stau an rechtlichen Vorlagen abzuarbeiten.

Da steht zunächst der größere Teil des »Solarpakets I« an. Der soll nun im Januar erst vom Bundestag und Anfang Februar dann vom Bundesrat beschlossen werden. Mit dem Paket soll Fotovoltaik auf Agrarflächen, Seen und Mooren oder auf Parkplatzüberdachungen und Lärmschutzwänden gefördert werden. Geregelt wird zudem, dass Grundstücksbesitzer die Verlegung von Leitungen zum Netzanschluss nicht mehr behindern können. Und Installateure von Fotovoltaikanlagen warten auf vereinfachte Vorgaben, um Balkonkraftwerke anzubringen.

Im ersten Quartal 2024 soll darüber hinaus die überfällige Kraftwerksstrategie des Bundes kommen. Im Kern geht es hier um die Frage, welche Kraftwerke als »Backup« ein zu hundert Prozent erneuerbares Stromsystem absichern.

Zuletzt machten hier die Stadtwerke Druck: Für Investitionen in neue Kraftwerke fehlten aktuell entscheidende Grundlagen, erklärte der zuständige Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Um die nötigen Fortschritte beim Bau neuer, steuerbarer Anlagen zu erzielen, müsse die Strategie möglichst schnell vorgelegt werden, fordert der Verband. Damit ließen sich die Voraussetzungen für einen vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030 schaffen.

Beim Kohleausstieg schiebt die Koalition schon länger dessen gesetzlich vorgeschriebene Evaluation vor sich her. Ursprünglich sollte diese bereits im August 2022 vorliegen. Das Wirtschaftsministerium entschuldigte die Aufschübe mit den Folgen von Ukraine-Krieg und Energiekrise. Nunmehr solle der Bericht »schnellstmöglich fertiggestellt werden«, sagte ein Ministeriumssprecher gegenüber der Tagesschau.

Änderungen im Interesse der Erneuerbaren sind für 2024 ebenfalls am Baugesetz geplant. Die Koalition denkt da an eine Öffnungsklausel, die es Kommunen ermöglicht, wie bei Fotovoltaik auch für Windkraft eigenständig Flächen bereitzustellen. Zudem sollen bereits belastete Verkehrs- und Industrieflächen schneller für Windprojekte geöffnet werden können.

Auf Bearbeitung wartet ferner eine weitere Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes. In dem Gesetz soll »Klima« als ausdrückliches Schutzgut aufgenommen werden, um erneuerbare Energien beschleunigt genehmigen zu können.

Apropos Klima: Wann das Klimaschutzgesetz im Bundestag beschlossen wird, ist nicht absehbar. Die Bundesregierung ficht jetzt erst einmal das jüngste Klimaurteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts an. Deutschland habe seine Klimaziele insgesamt erreicht, wenn auch nicht im Verkehrssektor, begründet der zuständige Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Schritt. Schärfere Maßnahmen im Verkehrsbereich wie Fahrverbote seien ohnehin nicht vermittelbar und große CO₂-Entlastungen im Verkehr von heute auf morgen völlig unrealistisch, wies Wissing klimapolitische Ambitionen im »Handelsblatt« zurück.

Auch beim Naturschutz wartet die Grünstrombranche auf Gesetzesvorlagen. So können Verbände noch bis zum 5. Januar Stellungnahmen zur Rechtsverordnung für die »Habitatpotenzialanalyse« abgeben. Damit sollen Windkraftinvestoren künftig nachweisen können, dass von ihrem Projekt kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für geschützte Arten ausgeht – also mit Blick auf den Artenschutz genehmigt werden kann.

Man sei allerdings vom Entwurf der Rechtsverordnung enttäuscht, erklärte Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie (BWE), kürzlich bei einem Branchentermin. Die vorgeschlagenen Regelungen seien sehr komplex und würden nicht zur Klarheit für die Genehmigungsbehörden beitragen.

Kurz vor Weihnachten konnte Axthelm zumindest die gute Nachricht verkünden, dass in diesem Jahr neue Windkraftanlagen im Umfang von insgesamt 6400 Megawatt genehmigt wurden. Das sei fast doppelt so viel wie 2022 und ein Rekordwert seit dem Start des Ausschreibungssystems 2017. Der Windausbau beschränke sich aber weiter auf Bundesländer im Norden sowie Nordrhein-Westfalen. Der Süden spiele nach wie vor keine Rolle, sagte der BWE-Geschäftsführer bedauernd.

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