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Krankenhausreform kommt kaum voran
Die Klinikstrukturen sollen sich ändern, aber einige Bundesländer legen sich quer
Die Krankenhausreform gilt als wichtigstes Projekt der Gesundheitspolitik in dieser Legislaturperiode. Eigentlich. Jedoch werden immer wieder von Minister Karl Lauterbach (SPD) selbst gesetzte Termine nicht eingehalten – die Beteiligten scheinen sich schwer einigen zu können. Dieses Trauerspiel setzt sich im neuen Jahr fort. Und das, obwohl sich zunächst nur Bund und Länder auf Grundsätze einigen müssen. Andere Beteiligte und Betroffene, von Krankenkassen, Krankenhausträgergruppen, Gewerkschaften, Berufsverbänden bis hin zu Patienten, wurden bisher noch nicht einbezogen.
Die Ländergesundheitsminister hatten noch vor dem Jahreswechsel einen neuen Arbeitsentwurf zum Reformgesetz des Bundes erwartet – der aber nicht kam. Es gebe zwar einen überarbeiteten Entwurf, den bekämen die Länder aber erst, wenn sie im Bundesrat dem Krankenhaustransparenzgesetz zugestimmt hätten, ließ Lauterbach vernehmen. Dieses ist einer der Zankäpfel der Reform, der Bundesrat hatte es gerade erst in den Vermittlungsausschuss überwiesen. Das bedeutet, vor dem 2. Februar passiert in Sachen Krankenhausreform nichts. Eigentlich hätten die Bund-Länder-Gespräche Mitte Januar weitergehen sollen.
Für die Reform müssen also mehrere Gesetze verabschiedet werden. Mit dem Krankenhaustransparenzgesetz will Minister Lauterbach Klarheit über die Qualität medizinischer Leistungen in Kliniken bringen – und zwar für Patienten. Ein Atlas soll Auskunft geben, in welcher Qualität welche Behandlung möglich ist. Die Daten würden am Ende Entscheidungen über vielleicht doch überflüssige Krankenhäuser oder Abteilungen erleichtern. Im Detail wird bei diesem Gesetz jedoch um Abrechnungsfragen gerungen: Sieben Bundesländer wollen Lohn- und Sachkostenleistungen vollständig berücksichtigt sehen. Auch Tarifsteigerungen aller Beschäftigten in den Krankenhäusern sollen schneller und umfassend berücksichtigt werden.
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Das zweite Vorhaben, dessen Entwurf jetzt zurückgehalten wird, schmückt sich mit dem Namen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Darin geht es auch um die Regelung der Vorhaltevergütung – also das Geld, das Kliniken erhalten, wenn sie nur Personal, Betten und Technik für bestimmte Therapien und Untersuchungen bereithalten, ohne einen Patienten behandelt zu haben. Diese Vergütung soll die Fallpauschalen eher ergänzen als ablösen. Deren Ertrag soll aber anteilmäßig sinken, und damit auch der Anreiz für überhöhte Fallzahlen.
In das Gesetz gehören aber auch voraussichtlich 69 Leistungsgruppen. Sie sollen in Zukunft die Basis der Krankenhausplanung bilden, verlangen von den Ländern aber ein völlig neues Herangehen. Die Bundesländer müssen zwar die stationäre Versorgung sicherstellen, aktiv geplant haben sie bisher eher selten. Seit Jahrzehnten verweigern sie ihren Beitrag zu den Investitionskosten in der nötigen Höhe. Finanziert wurden sie deshalb aus den Erlösen der Fallpauschalen. In der Praxis entschieden die Krankenhausträger über die Ausrichtung ihrer Einrichtungen wie auch über die Standorte selbst.
In Zukunft müssten die Länder festlegen, wie viele Einrichtungen welcher Leistungsgruppen sie jeweils benötigen. Womit auch die Qualität vorgegeben wäre: Nur wenn Kliniken bestimmte bundeseinheitliche Anforderungen erfüllen, dürfen sie etwa Schlaganfälle oder Herzinfarkte versorgen.
Ebenfalls in das Gesetz gehört die Einteilung der Krankenhäuser in drei Level plus Fachkliniken. Dies wurde von den Ländern aber abgelehnt, der Passus verschwand aus dem ministeriellen Arbeitsentwurf.
Unklar ist bislang auch, wie die Reform auf die seit der Pandemie gesunkenen Fallzahlen wirken wird. Über die Ursachen des Rückgangs herrscht keine Klarheit. Fachkräftemangel, insbesondere in der Pflege, dürfte ein Faktor sein. Unter anderem seitens der Krankenkassen besteht die Auffassung, dass insbesondere in gut versorgten Ballungsgebieten eine Konzentration und Zentralisierung der Standorte unvermeidlich ist: Die absehbar vorhandenen Fachkräfte würden nicht für die bisherigen Strukturen ausreichen.
Wie dieser Prozess verlaufen könnte, darüber geben auch die bisherigen Reformpläne keine Auskunft. Eine Möglichkeit hätten als neue Einrichtungsart die Level-II-Krankenhäuser geboten: kleine Kliniken an der Grenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Auch hier stünden bei der Standortentscheidung laut Entwurf die Länder in der Pflicht. Was davon in welcher Form weiter Bestandteil der Reform bleibt, wird sich zeigen müssen.
Zur Krankenhausreform gehören weitere Bereiche. Für das Rettungswesen hatte das Bundesgesundheitsministerium im Herbst ein Konzept vorgelegt, das gemischte Reaktionen erntete. So soll es in Zukunft nur noch eine Leitstelle pro etwa eine Million Einwohner geben. Auch die Befugnisse von Notfallsanitätern würden ausgeweitet. Sicher würde das den Dienst entlasten – aber ob es zugleich die Versorgung verbessert? Diese Frage bleibt auch für die Reform insgesamt offen.
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