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Ökopartei in Brandenburg: Schöne grüne Welt

Die Grünen in Brandenburg arbeiten an ihrem Programm für die Landtagswahl im September

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Mit grünem Wasserstoff aus der Uckermark soll in Eisenhüttenstadt grüner Stahl gefertigt werden, aus dem dann in Hennigsdorf Züge für den öffentlichen Nahverkehr gebaut werden – das malen sich Brandenburgs Grüne aus. In ihrem Programm für das Bundesland versprechen sie den Einwohnern eine schöne nachhaltige Welt. Vor allem eines ist dafür allerdings noch notwendig: Die Bevölkerung muss bei der Landtagswahl am 22. September fleißig die Grünen ankreuzen, damit diese dann für alles Mögliche sorgen können: beispielsweise dafür, dass jährlich 2500 Hektar Wald aufgeforstet werden und dass die Zutaten für das Essen in Kantinen und Kitas zu 60 Prozent bio sind.

Alles soll mit den Grünen ganz schnell gehen, nur auf Straßen innerorts nicht, wo sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 drosseln möchten. Das gesamte Bundesland soll früher als 2045 klimaneutral sein, mindestens die Landesverwaltung aber bereits 2030. Die Grünen haben ein Wahlprogramm entworfen, das bei einem Landesparteitag am 20. und 21. Januar in der Potsdamer Schinkelhalle diskutiert und beschlossen werden soll. Bis 2030 sollen 30 Prozent der Landwirtschaft auf Ökolandbau umgestellt und 30 Prozent der Landesfläche unter Naturschutz gestellt sein. Der ehemalige Truppenübungsplatz Lieberoser Heide soll ein Nationalpark werden. So steht es im Programmentwurf. Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen, der durch entwässerte Moore verursacht wird, jährlich um 750 000 Tonnen reduziert werden, bis 2040 dann um jährlich drei Millionen Tonnen. Spätestens 2030 soll der Kohleausstieg vollendet sein.

Nur beim Stopp der Versiegelung von Boden wollen sich die Grünen ein bisschen Zeit lassen. Erst bis 2050 sollen unter dem Strich keine Flächen mehr verbraucht werden. Dafür zögert die Ökopartei kaum eine Sekunde bei den Sparkassen. Die sollen nämlich schon 2025 keine Projekte mehr finanzieren, die dem Klima schaden. Daran haben die Grünen gedacht – nicht aber an die Schließung von noch mehr Sparkassenfilialen. Das bringt hochbetagte Kunden in Schwierigkeiten, die sich nicht daran gewöhnen können oder wollen, ihre Bankgeschäfte online zu erledigen.

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Die Zeit drängt. »Die Notwendigkeit zum Handeln war nie so groß wie jetzt. Alles, was wir heute für den Klimaschutz tun, schützt uns in Zukunft vor noch größeren Problemen«, heißt es im Programmentwurf. »Unser Ziel ist nach wie vor: Die Erderhitzung auf höchstens plus 1,5 Grad zu begrenzen – so wie es im Pariser Klimaschutzabkommen steht.«

Die düsteren Vorhersagen, was andernfalls geschieht, sind keineswegs übertrieben. Die Klimakrise ist schon da und wächst sich im schlimmsten Fall zu einer Katastrophe aus. Dabei erreichten die Grünen in den vergangenen Jahren »mehr als je zuvor für den Klimaschutz in Brandenburg«, wie sie stolz in ihrem Wahlprogramm herausstellen wollen. Es kann auch gar nicht anders sein. Immerhin regieren die Grünen seit Ende 2019 erstmals nach 25 Jahren wieder mit in Brandenburg. Das muss sich doch bemerkbar gemacht haben. Oder etwa nicht?

Ehrlich gesagt: So toll ist die Bilanz eigentlich nicht. »Die Corona-Pandemie haben wir erfolgreich bewältigt«, behaupten die Grünen frech. Weniger vergessliche Menschen erinnern sich: Die Impfkampagne lief chaotisch an und zuständig war Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). »Wir wollen Brandenburg zu einem noch schöneren Ort für Kinder und Jugendliche machen.« In dem Satz steckt drin, es sei schon ein schöner Ort. Aber an anderer Stelle wird zugegeben, dass jeder fünfte Heranwachsende im Bundesland von Armut betroffen ist. Abhilfe schaffen soll eine Kinder-Chancen-App: Die Kleinen könnten nachschauen, wo es verbilligte oder kostenlose Freizeitangebote für sie gibt.

»Durch uns gab es zum ersten Mal ein Klimaministerium«, klopft sich sie Partei selbst auf die Schulter. Aber was hat dieses Ministerium erreicht? Zwei in den Jahren 2018 und 2019 bereits abgeschaltete Blöcke des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde sind wieder am Netz. Das haben die Grünen nicht verhindert.

Jetzt muss der schreckliche Krieg in der Ukraine als zusätzliches Argument dafür herhalten, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben – um strategisch unabhängig von Gaslieferungen zu werden. »Wir führen einen Krieg gegen Russland«, hat die im Landesverband organisierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor knapp einem Jahr von sich gegeben. Wie sie Frieden schließen wollen, erklären Brandenburgs Grüne nicht. Sie versprechen Hilfe beim Wiederaufbau in der Ukraine. Aber erst einmal wird weiter zerstört und getötet.

»Der Programmentwurf steht am Ende eines intensiven Prozesses«, erläutert die Landesvorsitzende Alexandra Pichl. »Die Programmkommission, unsere Landesarbeitsgemeinschaften, die Landtagsabgeordneten und die Minister*innen sowie die Zivilgesellschaft haben über 100 Projekte und Ideen eingereicht. Inzwischen beinhaltet das Programm sogar 120 Projekte mit konkreten Ideen, wie wir Brandenburgs Erfolgsgeschichte fortschreiben.«

Dennoch finden sich noch genügend schwammige Formulierungen mit »stärken«, »bündeln« und »weiterentwickeln«. 2019 konnten viele grüne Vorstellungen im Koalitionsvertrag mit SPD und CDU untergebracht werden, wie Umweltminister Axel Vogel (Grüne) selbstbewusst vermerkte. Doch die CDU, die vom Verhandlungsergebnis enttäuscht war, bewies einmal mehr, dass Papier geduldig ist. In der praktischen Regierungsarbeit setzte die CDU mehr von ihren Vorstellungen durch, während die Grünen hinter ihren hohen Erwartungen zurückblieben.

Ob sie nach der Landtagswahl im September eine zweite Chance bekommen, ist nicht sicher. Mit acht Prozent in den jüngsten Umfragen präsentiert sich der Landesverband zwar relativ ungefährdet. Doch sind die Grünen in den vergangenen Monaten vor Wahlen schon oft eingebrochen. Verlieren sie wie 2019 auf den letzten Metern erneut noch drei Prozentpunkte, so könnten die Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und den Einzug in den Landtag knapp verpassen.

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