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Skispringer Wellinger bleibt bei Vierschanzentournee ganz vorn
Die deutschen Hoffnungen auf den Tournee-Gesamtsieg sind nach der Halbzeit so groß wie lange nicht
Andreas Wellinger hat in letzter Zeit jede Menge Grund zum Jubeln. Manchmal macht ihm das sogar Probleme, wie jüngst nach seinem Qualifikationssieg in Oberstdorf. Danach entdeckte der norwegische TV-Sender NRK nämlich auf einem Standbild des jubelnden Deutschen ein Loch unter der Achsel im Sprunganzug des deutschen Überfliegers. Ein klarer Regelverstoß, der nach den Worten von Materialkontrolleur Christian Kathol eigentlich die Disqualifikation zur Folge gehabt hätte. Wenn Wellinger denn kontrolliert worden wäre – was genau wie ein Protest einer anderen Mannschaft jedoch ausblieb.
Der spektakuläre Triumph des Doppel-Olympiasiegers im Auftaktspringen der 72. Vierschanzentournee hatte also im wahrsten Sinne des Wortes am seidenen Faden gehangen. »Wir haben einen flexiblen Stoff mit einem Faden ganz normal aus der Nähmaschine. Das kennt jeder von seiner Hose oder einem T-Shirt: Das reißt irgendwann mal«, erklärte Wellinger. »In dem Moment war’s halt blöd. Ich schaue, dass es nicht mehr passiert. Ich muss halt ein bisschen weniger jubeln.«
Vielleicht hat Wellinger deshalb nach seiner Landung beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen vor 21 000 begeisterten Zuschauern in der ausverkauften Arena nur vorsichtig den Arm nach oben gehoben – obwohl er beim traditionellen Start der Skispringer ins Neue Jahr als Dritter erstmals in seiner Karriere mit 291,4 Punkten aufs Podest geflogen war. Zwei waren an diesem dramatischen Tag noch etwas besser: Der Slowene Anže Lanišek triumphierte mit 295,8 Punkten vor dem Japaner Ryoyu Kobayashi (292,6), dem Hauptkonkurrenten von Wellinger um den ersten deutschen Gesamtsieg seit 22 Jahren bei der Vierschanzentournee.
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Alles läuft bei Halbzeit des Skisprung-Grand-Slams auf ein dramatisches Duell zwischen Wellinger und Kobayashi hinaus: Der deutsche Überflieger nimmt gerade einmal 1,8 Punkte – das ist umgerechnet genau ein Meter – Vorsprung mit in das dritte Tournee-Springen in Innsbruck am Mittwoch. Der drittplatzierte Österreicher Stefan Kraft liegt mit 25,2 Punkten schon fast aussichtlos zurück. Wellinger reist jedenfalls mit einem Grinsen nach Österreich: »Das war ein sehr guter Sprung ins neue Jahr, ich fühle mich weiterhin extrem gut. Jetzt hoffe ich auf faire Wettkämpfe in Innsbruck und Bischofshofen und dann soll der beste Skispringer gewinnen. Die Devise heißt: weitermachen.«
Nachdem er in Training und Qualifikation noch mit seiner Landung zu kämpfen gehabt hatte, zeigte sich Wellinger am Tag der Entscheidung nervenstark und landete seine Flüge auf 138 und 137,5 Meter brillant. Im dramatischen Finaldurchgang wechselte der Wind ständig – vor Kobayashi als letztem Springer gab es noch eine längere Pause. Der Japaner zeigte Nerven und verpasste den Sieg.
Bundestrainer Stefan Horngacher war mit seinem Überflieger Wellinger hochzufrieden: »Andi ist super gesprungen und vor allem gelandet – er hat das megagut gelöst. Er hätte natürlich auch gewinnen können, aber wir haben wieder einen Podestplatz. In der Tournee ist es ein ganz enges Rennen – aber wir können das Ding diesmal tatsächlich gewinnen.«
Das deutsche Team zeigte mit fünf Springern unter den besten 16 erneut eine starke Teamleistung beim Neujahrsspringen. Chancen auf den Tournee-Gesamtsieg hat allerdings nur noch Wellinger. Pius Paschke als zweitbester Deutscher in der Gesamtwertung hat schon 47,6 Punkte Rückstand auf den Spitzenreiter aus dem eigenen Team und sagt: »Wir werden weiter versuchen, ihn mit noch besseren Sprüngen zu unterstützen.«
Dass das Loch in Wellingers Anzug in Norwegen entdeckt wurde, ist kein Zufall. Die Skandinavier haben schließlich gerade kaum Grund, selbst zu jubeln. Im vergangenen Jahr hatte beim Neujahrsspringen noch Halvor Egner Granerud auf dem Weg zum Gesamtsieg triumphiert. Diesmal verpasste er als 31. zum zweiten Mal bei dieser Tournee den zweiten Durchgang und ist chancenlos.
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