Drohende Rodung in Hannover: Die Verteidigung der Leinemasch

Das Landschaftsschutzgebiet könnte bald für eine Schnellstraße gerodet werden. Aktivist*innen richten eine Dauermahnwache ein, um Protest zu bündeln

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.
Demonstration an der Leinemasch: Die Protestierenden wollen verhindern, dass der Wald einer Fahrbahnverbreiterung zum Opfer fällt.
Demonstration an der Leinemasch: Die Protestierenden wollen verhindern, dass der Wald einer Fahrbahnverbreiterung zum Opfer fällt.

Wenn in den kommenden Tagen oder Wochen Bagger in die Leinemasch rollen, werden Aktivist*innen zur Verteidigung des Waldes in Hannover bereitstehen. 13 Hektar Landschaftsschutzgebiet sollen nach den Plänen der niedersächsischen Landesregierung dem Ausbau einer Bundesstraße, des Südschnellwegs, weichen. Aktuell sind viele Waldwege vom Hochwasser überflutet, und es ist fraglich, ob in diesem Zustand schweres Gerät zur Rodung durch den Wald kommt. Doch die Saison, in der Bäume gefällt werden dürfen, geht nur noch bis Ende Februar. Nach Hinweisen der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« könnten die Rodungsarbeiten in der zweiten Januarwoche starten.

Deshalb richtet die Initiative »Leinemasch bleibt« am Samstag eine Dauermahnwache ein, in Sichtweite der Baumbesetzung Tümpeltown. »Wir wollen 24/7 vor Ort sein, um daran zu erinnern, wofür wir kämpfen«, sagt Tabea Dammann von der Initiative zu »nd«. Für den Erhalt der Natur und die Einhaltung der Klimaziele, die mit jeder Flächenversiegelung in weitere Ferne rücken. Rund 580 Millionen Euro sollen in den um zehn Meter verbreiterten Südschnellweg fließen – die nach Ansicht von »Leinemasch bleibt« besser in eine klimafreundliche Mobilitätswende investiert wären.

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Auch zahlreiche Tiere sind durch die Rodung bedroht: So beobachteten Aktivist*innen im Frühjahr und im Dezember 2023, dass Fledermaushöhlen in Bäumen mit Bauschaum verschlossen wurden, der die Tiere verätzt. Seit dem Sommer soll in direkter Nachbarschaft von Tümpeltown außerdem ein Biberpärchen leben. Eine mehrmonatige Überwachung per Wildtierkamera belegt laut Tierschützer*innen, dass die streng geschützten Tiere dort einen Erdbau haben, für dessen Entfernung behördliche Ausnahmegenehmigungen nötig seien. Laut Straßenbaubehörde kämen jedoch nur vereinzelt Tiere aus dem angrenzenden Leine-Revier zum Fressen an den Tümpel. Dieser soll im Zuge der Leinebrückenerneuerung zugeschüttet werden.

»Es deprimiert mich, dass klimapolitische Zusammenhänge von der Politik einfach geleugnet werden«, sagt Dammann, die selbst an vielen Runden Tischen und Gesprächen teilgenommen hat, zu denen Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) in den vergangenen Jahren eingeladen hatte. Die Gegner*innen des Südschnellwegausbaus sprechen von »Fake-Beteiligung«, Dammann selbst von »reiner Zeitverschwendung«. Es hätten keine externen Expert*innen mit am Tisch gesessen, die das Infrastrukturprojekt aus unabhängiger Perspektive bewerten könnten, und das Verkehrsministerium berufe sich nun auf die vermeintlichen Mitsprachemöglichkeiten, um den Protest zu delegitimieren.

Das Vorgehen scheint sich zu wiederholen, wenn es als Nächstes um Ausbaupläne des Westschnellwegs geht. Deshalb fordern »Leinemasch bleibt« und rund 30 weitere Initiativen in einem offenen Brief an Olaf Lies ein verkehrswendekonformes Gesamtkonzept für die Region und transparente Beteiligungsverfahren mit unabhängigen Verkehrswende-Expert*innen, bei dem auch die Klimafolgewirkungen aller Planungsvarianten offengelegt werden.

Im Fall des Südschnellwegs ist es dafür zu spät. Auch zahlreiche Demonstrationen, Petitionen und Klagen gegen die Rodung haben nichts genutzt. Es mache sie »wütend und traurig«, dass das Engagement so vieler Menschen in Niedersachsens Landesregierung nicht gehört werde, sagt Dammann. Die Leinemasch sei ein beliebtes Naherholungsgebiet, sie selbst gehe dort im Sommer gerne schwimmen. Inzwischen sei der Wald rund um Tümpeltown auch ein beliebter Anlaufpunkt für die Klimabewegung.

Die Baumhaussiedlung ist »ein offener anarchistischer Freiraum und seit über einem Jahr der Schwerpunkt meines Lebens«, sagt eine Waldbesetzerin, die sich Belgrad nennt, zu »nd«. Es sei »spannend, mal weg zu sein vom System, zu sehen, wie es anders sein kann«. Für sie sei der Ort auch als queerer Freiraum wertvoll, weil sie andere Pronomen benutze, als ihr in der Regel zugewiesen werden.

Anders als »Leinemasch bleibt« stelle Tümpeltown keine Forderungen. Natürlich sei man gegen die Rodung, aber auch »desillusioniert von Appellen an die Politik. Wir kämpfen für eine von Kapitalismus, Staat, Patriarchat, Herrschaft, Rassismus und etwaigen Diskriminierungsformen befreite und solidarische Gesellschaft«, erklärt Belgrad. Wenn das Baumhausdorf geräumt wird, werden sie und ihre Mitstreiter*innen sich der zu erwartenden Polizeigewalt entgegenstellen. Wahrscheinlich werden sie die Rodung trotzdem nicht verhindern können, »aber nach der Räumung haben wir noch ein Ass im Ärmel«, kündigt sie an.

Die Mahnwache soll ein legaler Anlaufpunkt des anstehenden Protestes sein und startet an diesem Wochenende mit einem Warm-up aus Aktionstrainings, Essen, Konzerten, Vernetzungsangeboten und einem Info-Spaziergang durch das Rodungsgebiet. Unterstützer*innen, die nicht aus der Umgebung kommen, sollen hier auch zelten können. Schon jetzt sei es der Klimabewegung gelungen, »dass die Leinemasch in Hannover Thema Nummer 1 ist«, erklärt Dammann.

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