Frieden und »Freiheid« in der Kyritz-Ruppiner Heide

Dauerausstellung in Pfalzheim soll an den Widerstand gegen das Bombodrom und den Erfolg vor 15 Jahren erinnern

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Es herrscht kein Frieden in der Welt, aber wenigstens in der Kyritz-Ruppiner Heide. Die Luftwaffe der Bundeswehr wollte dort einst Tiefflüge und das Abwerfen von Bomben üben und jährlich 1700 Einsätze absolvieren. Dagegen formierte sich ab 1992 Widerstand in der Bevölkerung. Nach mehr als 100 Friedenswanderungen und zahlreichen Ostermärschen mit bis zu 10 000 Teilnehmern sowie einer Serie von Niederlagen vor Verwaltungsgerichten verzichtete Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im Juli 2009 auf das sogenannte Bombodrom.

Kopf des Widerstands war Pfarrer Benedikt Schirge. Aber auch der 2011 verstorbene Theologe Horst Kasner, Vater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), predigte für die zivile Nutzung der Heide. Schließlich trat selbst Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dafür ein, obwohl er doch Bundeswehrgeneral war.

Viele der alten Stelen, die beim jahrelangen Kampf der Bürgerinitiativen Freie Heide und Freier Himmel zur Mahnung rund um das Areal aufgestellt wurden, »erhalten leider nicht mehr die nötige Pflege«, bedauert der Projektentwickler Stefan Fulz. »Einige Stelen wurden eingesammelt und warten jetzt bei Tischler Simon Schulte in Netzeband auf ihre Grundsanierung.« Zusammen mit der Landkreisstiftung Ostprignitz-Ruppin werde das Amt Temnitz am Zugang zur Heide in Pfalzheim eine Dauerausstellung einrichten. Voraussichtlich im Mai solle die Ausstellung eröffnet werden.

Stefan Fulz soll sich darum kümmern. Am Donnerstagnachmittag trafen sich die Projektbeteiligten in der Tischlerei in Netzeband, um die Stelen zu besichtigen und über das Vorhaben ins Gespräch zu kommen. Fulz zufolge mit an Bord: Die Entwicklungsgesellschaft REG Nordwestbrandenburg, die den Plan finanziell unterstützt.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

»Die zivil genutzte Kyritz-Ruppiner Heide ist in Nordwestbrandenburg zu einem wichtigen naturtouristischen und ökologisch bedeutsamen Reservat herangewachsen«, schwärmt Fulz, der in Leipzig Philosophie, Soziologie und Logistik studiert hat und sich einst persönlich an Ostermärschen in der Kyritz-Ruppiner Heide beteiligte. Die Bürgerinitiative »Freie Heide« schrieb sich übrigens FREIe HEIDe, damit man – nur die Großbuchstaben beachtend – das Wort »Freiheid« lese, was wie Freiheit klingt und klingen sollte.

Den Wanderparkplatz von Pfalzheim, dem Dorf, das nun für die Dauerausstellung auserkoren ist, nutzte die Linkspartei am 11. Juni vergangenen Jahres als Ausgangspunkt für eine neuerliche Friedenswanderung. 150 Menschen beteiligten sich und bildeten am Aussichtsturm auf dem Sielmann-Hügel ein Friedenszeichen, das aus der Luft zu erkennen war.

Anlass der Aktion war das seit dem Jahr 2018 langfristig vorbereitete Nato-Manöver Air Defender 2023. Die englische Bezeichnung lautet übersetzt »Luftverteidigung«. Geübt wurde allerdings nicht der Rückzug, sondern ein Vormarsch – die schnelle Verlegung von Kampfflugzeugen aus Deutschland, den Niederlanden und Tschechien bis nach Estland und Rumänien. Es war das größte Luftmanöver in der Geschichte der Nato, an dem sich 10 000 Soldaten aus 25 Staaten beteiligten.

»Man sollte den Frieden üben und nicht den Krieg«, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ex-Umweltminister Wolfgang Methling (Linke) auf dem Wanderparkplatz. Er hatte einst auch an den Friedenswanderungen gegen das Bombodrom in Brandenburg teilgenommen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!