- Berlin
- Krankenhausbewegung
Von Wedding nach Lichtenberg: Kampf um Entlastung der Kliniken
Erzwingungsstreik am Jüdischen Krankenhaus, auch die Belegschaft des Sana-Klinikums fordert Entlastung
Wiederholt hatte die Belegschaft des Jüdischen Krankenhauses (JKB) mit vereinzelten Streiks Warnschüsse abgegeben. Nun ruft die Gewerkschaft Verdi ab dem 8. Januar zu einem unbefristeten Erzwingungsstreik an der kleinen Klinik in Wedding auf. »Die Tarifkommission hat entschieden: Wir streiken so lange, bis es ein fertiges Ergebnis gibt«, sagt Verdi Gewerkschaftssekretär und Verhandlungsführer Ben Brusniak zu »nd«.
Wie bundesweit an vielen Krankenhäusern bereits umgesetzt, fordern die Beschäftigten des JKB einen Tarifvertrag Entlastung (TV-E). Die nun angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen folgen einer Mitgliederbefragung, wonach sich 94 Prozent der Beteiligten für einen unbefristeten Streik aussprachen.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Seit dem Beginn der Verhandlungen im Herbst habe die Klinikleitung kein konkretes Gegenangebot vorgelegt, sagt Brusniak. »Nun soll es erst am 22. Januar wieder Verhandlungen geben. Das empört uns.« Die Leitung des JKB hatte einen TV-E in der Vergangenheit nicht generell ausgeschlagen, aber auf die ungeklärte Finanzierungsfrage verwiesen.
Die Krankenhausfinanzierung über Fallpauschalen sieht vor, dass Behandlungsfälle – ausgenommen ist die Pflege am Bett – nur bis zu einem bestimmten Grad von den Krankenkassen refinanziert werden. Das zwingt die Häuser zum strikten Wirtschaften. Um Kosten zu senken, wird am Personal gespart. Mehr Personal durch einen TV-E können die Krankenhäuser nicht bei den Krankenkassen abrechnen. Deshalb sprangen in der Vergangenheit auch die jeweiligen Länder ein, um TV-E-Kosten auszugleichen. Das JKB selbst ließ eine Anfrage, inwiefern an einer Lösung der Finanzierungsfrage gearbeitet würde, bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Auch die bundesweit diskutierte Krankenhausreform hält prinzipiell an den Fallpauschalen fest.
Eine Einigung im Tarifkonflikt ist aktuell nicht in Sicht. Die »Beschäftigten bringen auf jeden Fall die nötige Ausdauer für eine eventuell längere Arbeitsniederlegung mit«, sagt Brusniak. »Ich habe selten so entschlossene Kolleg*innen erlebt. Der Tenor ist: ›Wir ziehen das Ding jetzt durch.‹« Zunächst sollen nur einige Stationen geschlossen werden. Im weiteren Verlauf will Verdi bei Bedarf weitere Stationen in den Streik rufen. Verdi hat mit dem JKB eine Notdienstvereinbarung abgeschlossen.
In Lichtenberg am Sana-Klinikum haben die Beschäftigten kurz vor Weihnachten der Geschäftsführung ebenfalls Forderungen nach einem TV-E an ihrem Haus übergeben.
Eine Mitarbeiterin spricht »nd« gegenüber von eklatantem Personalmangel. »Das Personal geht da hin, wo es schon einen TV-E gibt«, sagt sie. Es würden viele Leasingkräfte und »Integrationsmitarbeiter*innen« eingesetzt, die aber nur so gut arbeiten würden, wie sie angeleitet werden. Das benötige Zeit, und die fehle. Ende letzten Jahres sei sie mit ein paar Leasingkräften allein für 54 Patient*innen zuständig gewesen. »Viel Arbeit bleibt unverrichtet. Deshalb haben wir Überlastungsanzeigen geschrieben und erklärt, für bestimmte Situationen nicht mehr die Veratwortung tragen zu wollen. Wir stehen teilweise mit einem Bein im Knast.« Die Frustrationsgrenze sei erreicht. »Wenn sich von oben nichts bessert, müssen wir von unten anfangen«, sagt sie mit Blick auf die Tarifbewegung.
Gewerkschaftssekretär Max Manzey schätzt, dass das Geld für einen TV-E da ist: »Wir gehen davon aus, dass das Geschäft des Sana-Klinikums profitabel ist. Es hat eine große Herzstation«, sagt er. Es wäre der erste TV-E an einer Klinik in privater Trägerschaft in Berlin.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.