Wahl in Thüringen: Zombie-Debatte um die Ministerpräsidentenwahl

EIne Verfassungsänderung soll garantieren, dass Björn Höcke im Herbst nicht Regierungschef wird

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
Der ultrarechte AfDler Björn Höcke könnte wegen einer umstrittenen Passage in der Verfassung Ministerpräsident werden, auch wenn er keine Mehrheit hat.
Der ultrarechte AfDler Björn Höcke könnte wegen einer umstrittenen Passage in der Verfassung Ministerpräsident werden, auch wenn er keine Mehrheit hat.

Die Landtagswahl am 1. September wirft ihre Schatten voraus: In Thüringen wird wieder über die Auslegung von Artikel 70, Absatz 3 der Verfassung des Freistaats diskutiert. Wie ein Zombie taucht die Debatte seit Jahren immer wieder auf. Nicht ohne Grund, denn wieder zeichnet sich ab, dass die Regierungsbildung nach der Wahl schwierig wird, was in Thüringen zu einer Art Landestradition geworden ist.

Artikel 70, Absatz 3 regelt, wer im Freistaat Ministerpräsident wird, sollte dessen Wahl in zwei Durchgängen nicht gelingen. Wie in allen Bundesländern wird auch in Thüringen der Regierungschef durch den Landtag bestimmt. In den ersten beiden Wahlgängen muss laut Landesverfassung ein Bewerber die absolute Mehrheit auf sich vereinen, um ins Amt zu kommen. »Kommt die Wahl auch im zweiten Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält«, heißt es zum weiteren Vorgehen in der Landesverfassung.

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Gibt es zwei oder mehr Bewerber, ist klar: Derjenige, der mehr Abgeordnetenstimmen bekommt, ist Ministerpräsident. Aber was, wenn es im dritten Wahlgang nur einen Bewerber gibt? Hat der auch dann »die meisten Stimmen« erhalten, wenn nur ein einziger Abgeordneter für ihn stimmt? Oder wenn etwa nur die AfD-Abgeordneten für den Kandidaten ihrer Partei stimmen, also konkret für Björn Höcke? Und könnte nach dieser Regelung jemand Ministerpräsident werden, für den mehr Nein- als Ja-Stimmen abgegeben werden?

In Thüringen gibt es aktuell wieder verschiedene Überlegungen, den Verfassungsabsatz so zu ändern, dass er keinen Interpretationsspielraum zulässt oder aber den Verfassungsgerichtshof des Landes anzurufen, um zu einer abschließenden Auslegung dieses Passus zu kommen.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) schlug kürzlich vor, die Passage zu ändern, um eine Klarstellung zu erreichen. Das ist ein Vorstoß, der in seiner Partei schon zuvor diskutiert worden war und den die CDU-Landtagsfraktion bereits 2020 unternommen hatte – bislang folgenlos. Andererseits hat die Union im Landtag Ende 2023 vorgeschlagen, den Verfassungsgerichtshof per Gesetz zu ermächtigen, die Regelungen zum dritten Wahlgang auszulegen, und zwar in einem sogenannten Vorabklärungsverfahren, also rechtzeitig vor der nächsten eventuell nötig werdenden Anwendung der Klausel.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht derweil keine Notwendigkeit, aktiv zu werden. Maier blende bei seinem Vorschlag aus, »dass im dritten Wahlgang auch der SPD- oder der CDU-Vorsitzende kandidieren könnte – und ich sage: kandidieren müsste«, so der Erfurter Regierungschef gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Diese Verfassungsänderung ist völlig überflüssig, wenn man einen anderen Kandidaten aufstellt«, meint Ramelow.

Auch der Linke-Fraktionsvorsitzende Steffen Dittes glaubt, die Unklarheiten der geltenden Regelung ließen sich leicht »klarziehen«, wenn es im dritten Wahlgang mindestens zwei Bewerber gebe. »Um einen Ministerpräsidenten der AfD zu verhindern, braucht es lediglich eine klare Haltung der Demokraten«, meint Dittes.

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