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Nach Corona: Hänschen lernt leichter schwimmen als Hans
Mehr als 3000 Kinder in Brandenburg besuchten nach der Corona-Pandemie nachholende Schwimmkurse
Das vom Land Brandenburg geförderte Sonderprogramm zum Schwimmunterricht hat teils die Erwartungen erfüllt, aber nicht vollständig. Wie Robert Bosch, Jugendsekretär des Landesportbundes, am Donnerstag im Bildungsausschuss des Landtags bekanntgab, konnte seine Organisation in diesem Rahmen 3079 Kindern einen geförderten Schwimmunterricht anbieten. Das Ziel, den in Corona-Zeiten ausgefallenen schulischen Schwimmunterricht für 3500 Kinder zu ersetzen, konnte daher nicht abstrichlos erreicht werden.
Laut Bosch wurde rund 7000 Kindern in den Corona-Jahren 2020 und 2021 kein regulärer Schwimmunterricht erteilt, sie haben also »coronabedingt nicht schwimmen gelernt«. Das Programm dauerte zweieinhalb Jahre und wurde pro Kind mit 300 Euro gefördert. Dafür wurden Gutscheine ausgegeben.
Der AfD-Abgeordete Dennis Hohloch sagte mit Verweis auf den Landesschwimmverband, es sei eine »Nichtschwimmergeneration« nachgewachsen. »Brandenburg steuert nicht auf ein Land der Nichtschwimmer zu«, unterstrich dagegen Sportfunktionär Bosch. Doch räumte er auf Nachfrage ein, dass man bei 41 Prozent aller Schülerinnen und Schüler davon ausgehen müsse, dass sie entweder nicht schwimmen können oder man zumindest nicht wisse, ob sie es können.
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Es wurden Ferien- und Intensivkurse durchgeführt. Allein 1675 Kinder seien in den Sommerferien erreicht worden, heißt es. Bewohner von Städten mit einer Schwimmhalle hatten es vergleichweise leicht. Anders als Eltern, die ihre Kinder zu den acht oder zehn Doppelstunden 20 oder 30 Kilometer weit mit dem Auto fahren mussten, erklärte Bosch. Hier habe es die meisten Abbrecher gegeben. Verwunderlich sei gewesen, dass Eltern in Einzelfällen ihre Kinder zum Schwimmunterricht brachten, ihnen aber keine Badehose und auch kein Handtuch mitgaben. Bosch verwies auf 2500 Anmeldungen aus allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Fast 1000 Kinder bestanden die Seepferdchen-Schwimmprüfung.
Die Abgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke) forderte eine methodisch-didaktische Ausbildung für die Schwimmausbildung auch für Seiteneinsteiger im Sportlehrerberuf.
Toralf Starke, zuständiger Referent im Bildungsministerium, versicherte, dass auch Quereinsteiger im Fach Sport in ihrer Ausbildung auf das Erteilen von Schwimmunterricht methodisch vorbereitet werden. Er wies darauf hin, dass der Lehrplan in Brandenburg sowohl in der Grundschule als auch in der Sekundarstufe 1 verpflichtenden Schwimmunterricht vorsieht. In der Grundschule seien 40 Stunden dafür eingeplant, danach noch einmal 15 Stunden. »Das reicht in der Regel aus, um den Kindern sicher Schwimmen beizubringen.« Allerdings habe die Schließungen der Schulen und Schwimmhallen in der Coronazeit dieses Bildungsziel durchkreuzt. Ihm zufolge sehen die Vorschriften vor, dass nur »rettungsfähige« Lehrkräfte Schwimmunterricht erteilen sollen. Starke nannte 27 Orte im Bundesland, an denen der Schwimmunterricht in nachgewiesen hoher Qualität gegeben werden könne. Die Einschränkung: »Wir wissen, dass nicht alle Schulen dort Zugang haben.«
Aus Sicht des Sportfunktionärs Bosch ist es absolut notwendig, dass Kinder in der 3. oder 4. Klasse schwimmen lernen. Bezogen auf den nachholenden Erwerb von Fähigkeiten sagte er: »Es ist sehr schwierig, sie im Nachgang zu erreichen.«
Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) dankte dem Landessportbund für seine Bemühungen, den Kindern das Schwimmen noch nachträglich beizubringen. Er warnte davor, allzu große Hoffnungen in sogenannte mobile Schwimmhallen zu setzen. Diese würden die Erwartungen in der Praxis nicht erfüllen.
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