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Polen, das entzweite Land
Holger Politt über innenpolitische Spannungen in Polen
Polens Hauptstadt beginnt das neue Jahr im heftigen Sturm auf der politischen Bühne. Die auf der harten Oppositionsbank sitzen, rufen bereits: »Wir werden gewinnen!« Sie rüsten zu Größerem, der Plenarsaal im Sejm ist zu klein geworden, es zieht sie zu anderen Plätzen. Jarosław Kaczyński spielt an auf den 13. Dezember, an dem die neue Regierung ins Amt kam: Aus purem Zufall wird ein Vorsatz gemacht, so als wandelte Ministerpräsident Donald Tusk ausgerechnet in den Fußstapfen von Wojciech Jaruzelski, der 1981 an diesem Tag das Kriegsrecht verhängte. Überhaupt wird unterstellt, der Ministerpräsident vertrete gar keine polnischen Interessen.
Szenenwechsel: Dichter Flockentanz an jenem Ort, wo sich Warschau im September 1939 mehrere Wochen gegen die anrückende Wehrmacht verteidigt hatte. Pani Jadwiga bietet frische Eier feil, jeden Sonnabend macht sie sich auf den Weg von dorther, wo der wilde Bug im Osten nach Polen strömt. Mit Sorge fragt sie den Großstädter, der zu ihrer Ware greift, ob denn die sozialen Wohltaten der zurückliegenden Kaczyński-Jahre wieder verschwänden: das Kindergeld für die vielen Enkelkinder, die zusätzlichen Rentenzahlungen? Zum Glück, fügt sie sofort hinzu, bleibe »unser Präsident auf Posten«. Andrzej Duda hat als Staatspräsident Vetorecht, die Gesetzesvorhaben der Regierenden benötigen dann im Sejm eine Zweidrittelmehrheit.
Holger Politt leitete bis Sommer 2022 das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Warschau.
Und könnte der Unterschied größer sein, den es zwischen dem Amtsinhaber und seinem Vorgänger im Justizministerium gibt? Zbigniew Ziobro, bis November 2023 der Hausherr, bewegt sich am rechten Flügel des Kaczyński-Lagers. Der Architekt des nationalkonservativen Umbaus im Justizwesen liebte die Provokation: Ihm galt die Mitgliedschaft in der EU nichts, strikt verbat er sich die Einmischung Brüssels in die Belange polnischer Rechtsprechung. Anders Adam Bodnar, der sich nun dem zügigen »Rückbau« nationalkonservativer Verwerfungen im Justizwesen verpflichtet sieht. Manche sprechen gar vom Augiasstall, der ausgemistet gehöre. Bodnar war bis Juli 2021 der vom Parlament bestellte Beauftragte für Bürgerrechte, eine verbliebene Insel des liberalen Polens inmitten der nationalkonservativen Flut. Er widersetzte sich der Hatz gegen LGBTQ+ im Sommer 2019, stand fest an der Seite des Frauenprotestes im Herbst 2020. Für Bodnar gilt der Grundsatz: Recht vor Regierungsgewalt! Für die Gegner, denen Regierungsgewalt in den eigenen Händen über alles geht, ist er nun zentraler Angriffspunkt.
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Kaczyński spricht zuletzt von »den Gefahren«, die mit den »Veränderungen in der EU einhergehen« und behauptet angreifend, Tusk ignoriere »in Polen bestehendes Recht«, leugne überhaupt »die Existenz des polnischen Staates«. Der Ministerpräsident wiederum warnend: »Vor den Polinnen und Polen steht die große Frage: Werden wir Verachtung, Hass und Lüge in die Schranken weisen? Werden wir uns behaupten in diesem dramatischen Moment der Geschichte unseres Landes?«
Ex-Präsident Aleksander Kwaśniewski sieht Präsident Duda in einer entscheidenden Rolle. Denn schlage der sich auf die Kaczyński-Seite, drohten vorzeitige Parlamentswahlen. Die Antwort des Souveräns wäre indes eindeutig, also ernüchternd für die Nationalkonservativen.
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