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Schulen in Berlin: Dauerhafter Mangelzustand
Ein-Fach-Lehrkräfte und »Flex-Master« sollen Lehrermangel lindern
Der Lehrkräftemangel bleibt die größte Herausforderung für die Berliner Bildungs- und Wissenschaftspolitik. In drei Viertel der Schulen in der Hauptstadt fehlt Lehrpersonal. Der Nachschub tröpfelt eher, als dass er fließt: Etwa 1000 Lehramtsstudierende beendeten 2022 ihr Studium. Die in den Hochschulverträgen festgeschriebene Zielmarke von 2500 Absolventen wurde damit – mal wieder – deutlich verfehlt. Für 2023 liegen noch keine Daten vor, mit mehr als einem kleinen Aufwuchs ist hier aber auch nicht zu rechnen.
Was also tun? Im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses debattierten Parlamentarier und Experten über mögliche Wege, mehr Lehrer an die Schulen zu bekommen. Die Hoffnung auf ein Allheilmittel ist aber gering. Denn die Diskrepanz zwischen der Zahl der Schüler und jener der Lehrkräfte ist demografisch bedingt. Im studierfähigen Alter sind aktuell geburtenschwache Jahrgänge, während die Zahl der Schüler wächst. »Ein ausgeglichenes Verhältnis wird es erst wieder geben, wenn diejenigen, die 2013 geboren sind, ihr Studium abschließen«, sagte die FU-Professorin Felicitas Thiel. »Das wäre 2038.« Die meinungsstarke Erziehungswissenschaftlerin ist stellvertretende Vorsitzende der wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz.
Oberstes Ziel ist also erst mal Schadensbegrenzung. Eine konkrete Maßnahme zeichnet sich bereits ab: Künftig sollen Lehrkräfte auch mit nur einem Fach an Berliner Schulen unterrichten können. Bislang sind zwei Fächer vorgeschrieben. Das war bereits bei einem Runden Tisch von Bildungs- und Wissenschaftssenatsverwaltung zu Beginn des Jahres diskutiert worden. Die Universitäten sollen nun entsprechende Studiengänge entwickeln.
»Ein-Fach-Lehrkräfte können ein Gamechanger sein«, sagte Thiel. Gedacht ist das Angebot vor allem für Quereinsteiger aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, also Berufstätige, die sich für einen Wechsel in den Lehrerberuf entscheiden. Bislang mussten viele von ihnen ein Fach nachstudieren, um unterrichten zu dürfen. Das soll nun nicht mehr notwendig sein, sie müssen aber weiterhin einen zweijährigen Masterstudiengang abschließen, in dem sie pädagogische Kenntnisse erwerben. Auf diesem Weg könne man zudem eine weitere Bewerbergruppe erreichen, führte TU-Vizepräsident Christian Schröder aus: Im Ausland sei es üblich, dass Lehrer nur ein Fach unterrichten. Es werde also einfacher, Lehrkräfte aus dem Ausland anzuwerben.
Skeptischer war die GEW-Landesvorsitzende Martina Regulin. »Der Ein-Fach-Lehrer ist kein Allheilmittel«, warnte sie. Damit das Angebot attraktiv werde, müsse verhindert werden, dass die Ein-Fach-Lehrer gegenüber anderen Lehrkräften finanziell benachteiligt werden. Bildungsexpertin Thiel sah allerdings keine laufbahnrechtlichen Schwierigkeiten: »Solange die Stundenzahl gleich ist, ist das kein Problem.«
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Im Fokus der Debatte steht nicht nur, wie die Zahl der Lehramtsabsolventen erhöht werden kann, sondern auch, wie sich die Qualität der Ausbildung verbessern lässt. »Wenn ich mit jungen Lehrkräften rede, sagen viele, dass sie in die Praxis entlassen werden, ohne adäquat vorbereitet zu sein«, sagte SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasić. Auch Stefan Breidbach, Direktor der Professional School of Education an der Humboldt-Universität, warnte davor, bei der Diskussion um die Absolventenzahlen die Qualität zu vernachlässigen. Angesichts sinkender Schülerleistungen sei es ein »Gebot der Vernunft«, die Lehrerausbildung zu verbessern.
Das größte Problem bleibt dabei die Verzahnung von Theorie und Praxis im Studium. Im Lehramtsstudium ist ein Praxissemester vorgeschrieben, das mit Seminaren begleitet wird. Viele Studierende sammeln aber schon zuvor Erfahrung: Sie arbeiten neben dem Studium bereits an Schulen, häufig sogar schon im Bachelor. Das habe nicht nur Vorteile, sagte Eva Terzer, Geschäftsführerin der Dahlem School of Education an der Freien Universität. »Unbegleitete Schulpraxis kann dazu führen, dass sich dysfunktionale Unterrichtspraktiken einschleifen«, so Terzer. Manche angehende Lehrkräfte würden so demotiviert, weil sie ihre Energie falsch einsetzten und ernüchternde Ergebnisse erzielten.
Trotzdem soll es Studierenden künftig ermöglicht werden, statt dem Praxissemester parallel zum Studium gesammelte Erfahrungen an den Schulen anrechnen zu lassen. Die Unterrichtspraxis soll dann aber universitär betreut werden. Dieses Modell wird als »Flex-Master« bezeichnet. Die Hoffnung ist, dass damit die schon jetzt übliche – und angesichts der Mangelsituation an den Schulen auch notwendige – Praxis besser in die Studiengänge eingebettet werden kann. »Damit könnten wir mit überschaubarem Aufwand viel abräumen«, so Terzer.
Über all diesen Plänen schwebt aber noch ein Damoklesschwert: Wie alle Senatsverwaltungen wurde auch die Wissenschaftssenatsverwaltung von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) aufgefordert, pauschale Minderausgaben in ihrem Budget aufzulösen. Es muss also gekürzt werden, konkret um 5,9 Prozent. 200 Millionen Euro wären das, rechnete Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) vor. »Wir haben hier ein Problem«, sagte sie. Denn der übergroße Teil des Budgets ergebe sich entweder aus gesetzlichen Verpflichtungen wie Pensionszahlungen oder sei vertraglich gebunden, etwa in den Hochschulverträgen. »Das Einsparpotenzial ist nicht gesetzeskonform zu erbringen«, so Czyborra. Finanzsenator Evers wird das wohl anders sehen.
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