Bündnis Soziales Wohnen - Jobcenter verwöhnen Vermieter

Bündnis Soziales Wohnen: »Staat dreht an der Mieten-Preisschraube«

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wohnungsnot ist groß, besonders in Metropolen. Zurzeit fehlen bundesweit rund 700 000 Wohnungen, schätzt selbst die Deutsche Kreditwirtschaft, Dachverband der Bankenbranche. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern: Die Bauindustrie erwartet, dass dieses Jahr noch weniger Wohnungen gebaut werden als 2023. Der Wohnungsneubau ist ihr zufolge fast zum Erliegen gekommen. Selbst die Baugenossenschaften verabschieden sich aufgrund hoher Kosten, regulatorischer Rahmenbedingungen und wirtschaftlicher Unsicherheiten vom Neubau. Insgesamt liegen die seit Jahresbeginn gegebenen Zusagen für Wohnimmobiliendarlehen um etwa 40 Prozent unter dem schon schwachen Vorjahresniveau. Besonders dramatisch stellt sich die Lage im sozialen Wohnungsbau dar.

Während bezahlbare Wohnungen vor allem für Familien und Alleinerziehende rar sind, wächst in den größten Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Leipzig die Nachfrage durch Zuzug, besonders rasant im Umland. Vermieter nutzen die Wohnungsnot, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Deutschlandweit stiegen die Durchschnittsmieten im Vergleich zum Vorjahr um 7,7 Prozent, ergab eine Auswertung des Immobilienportals Immoscout 24. In Großstädten stiegen demnach die Mieten zumindest im Neubau sogar im zweistelligen Prozentbereich. Im Schnitt müssen Mieter für Bestandswohnungen 8,42 Euro und im Neubau 11,72 Euro je Quadratmeter zahlen.

Eine Mitverantwortung für die extrem steigenden Mieten trägt ausgerechnet der Staat, der die Kosten der Unterkunft für Bedürftige übernimmt. In besonders angespannten Wohnungsmärkten zahlt er deutlich über dem Durchschnitt liegende Mieten. Spitzenreiter ist die Stadt München mit 19,40 Euro. Das treibt zugleich die »freien« Mieten im unteren Preissegment in die Höhe, wie eine Studie des Pestel-Instituts in Hannover ergibt, die am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wurde.

Die Studie war im Auftrag des Bündnisses »Soziales Wohnen« erstellt worden. Darin haben sich die Baugewerkschaft, der Deutsche Mieterbund sowie Sozial- und Wohnungsverbände zusammengeschlossen. »Es liegt nahe, dass dort, wo sich Mieterhöhungsspielräume auftun, ein Teil der Vermieter diese auch nutzt«, kritisiert das Bündnis. Man könne dies auch als »Umverteilung von unten nach oben« kritisieren, merkte IG-BAU-Vorsitzender Robert Feiger an. Spielräume der Immobilieneigentümer müsste die Politik durch ein effektiveres Mietrecht begrenzen.

Insgesamt hat der Staat nach Angaben der Wissenschaftler im vergangenen Jahr erstmals mehr als 20 Milliarden Euro an Sozialausgaben für die Unterstützung von Mietern ausgegeben, davon gut 15 Milliarden für die Kosten der Unterkunft, die überwiegend von den Jobcentern gezahlt werden, und den Rest für Wohngeld. Dagegen lagen die Ausgaben von Bund und Ländern für den Neubau sozial gebundener Wohnungen lediglich bei gut vier Milliarden Euro, heißt es in der Studie.

Das hat Folgen: In den vergangenen 15 Jahren wurde die Zahl der Sozialwohnungen von über zwei auf 1,1 Millionen nahezu halbiert, wodurch die Subjektförderung (Wohngeld, Kosten der Unterkunft) in astronomische Höhen stieg. Während die Bautätigkeit abnimmt, läuft die Zuwanderung auf hohem Niveau. Dadurch dürfte das Wohnungsdefizit noch größer werden.

Akut fehlten 910 000 Sozialwohnungen, schätzt das Bündnis. Als Sofortmaßnahme fordert es von der Bundesregierung eine Mehrwertsteuerabsenkung auf sieben Prozent für den Neubau von Sozialwohnungen. Soziale Vermieter wie Wohnungsbaugenossenschaften, kirchliche und kommunale Träger sollten durch Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit gestärkt werden. Diese war 1989 unter Helmut Kohl abgeschafft worden.

Dagegen lobt das Bündnis die kürzlich vorgenommene Erhöhung der »Objektförderung« für Bauherren durch Bund und Länder. Doch jährlich 25 000 neue Sozialwohnungen reichten bei Weitem nicht hin. Angesichts der Wohnungsnot »müsse geklotzt, nicht gekleckert« werden. Dazu solle ein Sondervermögen mit 50 Milliarden Euro gebildet werden, um dauerhaft, über Legislaturperioden hinweg, den sozialen Wohnungsbau massiv zu fördern. Wie das »Sondervermögen Bundeswehr« solle der Fonds mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestags im Grundgesetz verankert werden. Die Gelder sollten gezielt in Regionen mit besonders hohen Bedarfen fließen. Viele davon liegen im wohlhabenden Süden.

In Ostdeutschland sei die Lage aufgrund (abnehmender) Leerstände sowie vergleichsweise vieler genossenschaftlicher und öffentlicher Wohnungen günstiger. Aber auch dort gebe es eine besonders krasse Wohnungsnot, beispielsweise in Berlin samt Umland, in Cottbus und Dresden. »Es geht um einen äußerst sensiblen Punkt, der den sozialen Frieden in der Gesellschaft enorm und akut gefährdet: um das Wohnen – um das Dach über dem Kopf«, mahnt das Verbändebündnis die Politik zum raschen Handeln.

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