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Südkaukasus: Die Friedens-Euphorie ist verflogen
Armenien und Aserbaidschan kommen bei der Lösung ihres Konflikts nur langsam voran
Sie ist etwas abgeflaut, die Euphorie vom Dezember, als der Friedensvertrag zwischen Armenien und Aserbaidschan kurz vor dem Abschluss zu stehen schien. Mittlerweile spricht Armeniens Außenminister Ararat Mirsojan bereits von einem Rückschritt im Verhandlungsprozess. Zwar sind sich die Konfliktparteien einig, dass sie sich gegenseitig versichern, die territoriale Integrität des jeweils anderen Staates zu respektieren. Doch es gibt strittige Punkte, und die betreffen genau diese territoriale Integrität.
Einer dieser Punkte ist der Sangesur-Korridor, eine Straße, die die Autonome Republik Nachitschewan durch die armenische Region Sjunik mit Aserbaidschan verbinden soll. Baku fordert, dass Armenien den Verkehr im Korridor nicht kontrollieren darf. Es könne doch nicht sein, so die Argumentation, dass man Zoll und andere Gebühren bezahlen müsse, wenn man Waren von Aserbaidschan nach Aserbaidschan bringe.
Streitpunkt Sangesur-Korridor
Ganz anders sieht man das in Armenien. Eine von Aserbaidschan kontrollierte Straße durch Armenien, direkt an der armenisch-iranischen Grenze, verletze die territoriale Integrität, so Medien und Kommentatoren unisono. Dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew, so der armenische Politologe Armen Tschibuchtschjan auf Youtube, gehe es nicht nur um eine Landverbindung. Letztlich wolle Alijew die Zukunft Armeniens zerstören, früher oder später Jerewan okkupieren. Der Politologe Edward Antinjan glaubt nicht, dass Armenien einen Friedensvertrag unterschreiben wird, wenn Aserbaidschan nicht auch die territoriale Souveränität Armeniens de facto anerkennt.
Eldar Sejnalow, Direktor des aserbaidschanischen Menschenrechtszentrums mit Sitz in Baku, hält dagegen: »Zu Zeiten der Sowjetunion hat es immer einen Sangesur-Korridor mit einer Eisenbahnverbindung gegeben.« So eine Straße, wie Baku sie fordert, sei demnach keine Beschränkung der Souveränität Armeniens.
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Konfliktstoff bietet jedoch nicht nur der Sangesur-Korridor. Aserbaidschan will auch die Frage der Exklaven regeln. Kommt es hierbei zu keiner Einigung, könnte Baku militärisch intervenieren, fürchtet man in Jerewan.
Exklaven bergen Konfliktpotenzial
»Nach dem Krieg von 1991 bis 1994 entspricht die armenisch-aserbaidschanische Grenze nicht mehr der Grenze, wie wir sie zu Zeiten der Sowjetunion hatten. Armenien hat also einige seiner Grenzgebiete verloren«, stellt der armenische Politologe Samwel Meliksetjan fest. Das gilt auch für Aserbaidschan. Gleichwohl sei es besser, die Exklaven nicht zurückzuholen. Schließlich würden sie Schwierigkeiten verursachen, vor allem, wenn die betreffenden Staaten verfeindet sind, so Meliksetjan.
Auch Sejnalow hält eine Reintegration von Exklaven für eine problematisch. Zum einen würden sich dadurch Militärkontingente mitten im Nachbarland befinden, zum anderen gäbe es bei der Versorgung ein Logistikproblem. »Und das wird zu neuen Konflikten führen.«
Genauer Grenzverlauf ist unklar
»Bevor man über Grenzziehung verhandelt«, so Sejnalow, »muss man erst einmal klar haben, mit welchen Karten man arbeiten will.« Bis 1969 wurde die Grenze immer wieder verändert. Armenien präferiert die Landkarten der 70er Jahre. Aserbaidschan scheint sich dem anzuschließen. Um den Friedensprozess nicht zu verlangsamen, so Sejnalow, sei eine Möglichkeit, die Bevölkerung aus den Exklaven umzusiedeln. Dann hätte man eine ruhigere Gesprächsatmosphäre für Friedensverhandlungen.
Hinzu komme, so Sejnalow, dass sich Grenzen von selbst änderten. Er verweist dabei auf Flüsse und Seen, die ihren Lauf verändert haben oder ausgetrocknet sind. Im Mai 2021 beispielsweise drangen aserbaidschanische Truppen 3,5 Kilometer in armenisch beanspruchtes Gebiet ein und begründeten den Vorstoß mit sowjetischen Karten. »Anstatt eine Kommission einzurichten und die Grenze zu klären, hatte Armenien die OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit) um Hilfe gebeten. Doch die wollte sich nicht einmischen, weil der Grenzverlauf ja noch nicht festgelegt worden war«, so Sejnalow. »Das heißt, die Bündnispartner Armeniens sind der Auffassung, dass man sich zuerst über den Grenzverlauf einigen muss. Und erst dann kann man von Grenzverletzungen sprechen«.
Geht Frieden ohne einen Vermittler?
Es gibt noch einen weiteren Streitpunkt, der den Abschluss eines Friedensvertrags erschwert: In Aserbaidschan geht man davon aus, dass man auch ohne Mittler einen solchen Vertrag abschließen könne. In Armenien fürchtet man genau das. Wo keine Vermittler seien, so der armenische Politologe Meliksetjan, gebe es auch keine internationalen Garantien. Und dann sei man schnell nicht bei einem Friedensvertrag, sondern bei einer »friedlichen Kapitulation« angelangt.
Doch auch in diesem Punkt scheint man sich anzunähern. Armenien und Aserbaidschan könnten durchaus direkt miteinander verhandeln, hatte kürzlich Alen Simonjan, Sprecher des armenischen Parlaments, verlauten lassen.
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