Prozess zu Görli-Vergewaltigung: Video wirft Zweifel auf

Zum Prozessbeginn um die mutmaßliche Vergewaltigung im Görlitzer Park taucht neues Beweismaterial auf

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Gerichtssaal sitzen am Donnerstagvormittag mehr Journalist*innen als Prozessbeteiligte. Die Öffentlichkeit schaut gespannt auf den Auftakt des Verfahrens, das die mutmaßliche Vergewaltigung im Görlitzer Park im Juni 2023 verhandelt.

Die Polizeimeldung sorgte im Sommer für Schlagzeilen, rassistische Hetze und populistische Maßnahmen wie die geplante Parkumzäunung: Ein georgisches Ehepaar sei am frühen Morgen des 21. Juni ausgeraubt, die Frau Esmer T. dann von mehreren Männern vergewaltigt worden. Ein siebensekündiges Video aus der Tatnacht legt nun nahe, dass zumindest diese sehr kurze Aufnahme einvernehmlichen Oralverkehr zeigt. Das sagt der Anwalt eines Angeklagten, Eckart Fleischmann. Die Authentizität des Videos habe die Polizei bereits festgestellt, die gefilmten Personen müssten allerdings noch zweifelsfrei identifiziert werden.

Der Anwalt der Zeugin und Nebenklägerin Esmer T. widerspricht: Man könne nicht aus einem Sieben-Sekunden-Video einen gesamten Tathergang rekonstruieren. »Alles, was ich darauf erkenne, ist schemenhaft.«

Drei junge Männer wurden aufgrund von Spermaspuren am Körper der Zeugin verhaftet und müssen sich vor Gericht verantworten: Osman B., 22 Jahre alt, in Somalia geboren, lebt ohne festen Wohnsitz in Berlin. Boubacar B. ist im Januar 23 Jahre alt geworden, stammt aus Guinea und ist ebenfalls wohnungslos. Mountaga D., auch 23 und aus Guinea stammend, wohnte in einer betreuten Wohneinrichtung in Neukölln. Derzeit sitzen sie in Untersuchungshaft, bis auf Boubacar B., der eine ältere Strafe aus dem Jahr 2022 absitzt. Osman B. und Boubacar B. seien psychiatrisch begutachtet worden, um ihre Schuldfähigkeit festzustellen, teilt die Sprecherin des Gerichts Lisa Jani mit. Das Ergebnis liege noch nicht vor.

Medienberichten zufolge kamen die beiden vor sechs beziehungsweise sieben Jahren nach Deutschland, minderjährig und ohne Eltern. Keiner von ihnen soll über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügen, Informationen über ihre Papiere gibt das Gericht jedoch nicht bekannt.

Ihnen wird besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und besonders schwerem Raub vorgeworfen. Laut Anklage ging das Ehepaar T. unter Drogeneinfluss nachts in den Park, um Marihuana zu kaufen. Auf einer Parkbank konsumierte es Kokain, tauschte Zärtlichkeiten aus und zog sich dann in ein Gebüsch zurück. Als dort ein Mann auftauchte, wollte das Paar bei ihm Drogen kaufen. Er verschwand und kam mit weiteren Männern zurück. Sie schlugen der Anklage zufolge zunächst auf Oleg T. ein und raubten seine Bauchtasche, in der sich 1500 Euro befanden. Mit der Summe hatte er Strafen unbekannter Natur bezahlen wollen. Dann ergriffen die Männer Esmer T., nahmen auch ihre Tasche und zwangen sie dann zu Oralverkehr. Ein Mann vergewaltigte sie außerdem vaginal. In dieser Zeit sollen andere Männer Oleg T. weiter festgehalten und geschlagen haben, so die Anklage.

»Was Sie gehört haben, ist die These der Staatsanwaltschaft«, betont der Anwalt von D. im Anschluss. »Sie basiert auf unvollständigen Ermittlungen und lückenhaften, widersprüchlichen und in manchen Punkten falschen Zeugenaussagen.« Sein Mandant weise alle Vorwürfe zurück. Er habe nur einvernehmlich mit den Zeugen interagiert und vor dem Tatzeitpunkt den Park verlassen.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Am 23. Januar wird der Prozess fortgeführt. Die Nebenklägerin Esmer T. befindet sich derzeit in Georgien, ihr Anwalt kündigte aber ihr Kommen an.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.