Mehr Ackerland soll in Bauernhand

Ost-Bundesländer wollen mit Gesetzen die Bodenspekulation eindämmen, doch die Zeit wird knapp

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Wer nicht schon Land besitzt, kann es durch landwirtschaftliche Arbeit auch kaum erwirtschaften.
Wer nicht schon Land besitzt, kann es durch landwirtschaftliche Arbeit auch kaum erwirtschaften.

Traktoren vor Parlamenten: Das ist in diesen Tagen ein fast schon gewohntes Bild. Bei einer Aktion von Bauernverbänden vor dem Landtag in Dresden an diesem Donnerstag wurde freilich nicht Zorn über gestrichene Subventionen auf Agrardiesel geäußert, sondern Unmut über ein viel grundlegenderes Problem: die rapide steigenden Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen und deren zunehmenden Ausverkauf an Großinvestoren. Beides bringt Landwirte in immer größere Schwierigkeiten.

Boden ist mit Blick auf die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung, aber auch die Erzeugung erneuerbarer Energie etwa mittels Photovoltaik eine wertvolle Ressource. Deren Verknappung wie auch das Interesse von Investoren, die ihr Geld sicher anlegen wollen, treibt die Preise in die Höhe. Die Kaufpreise für Ackerland haben sich in der Bundesrepublik zwischen 2007 und 2020 im Schnitt von 9205 auf 26 777 Euro je Hektar verdreifacht. Wenn Flächen zum Verkauf stehen, können Landwirte immer seltener mitbieten. Die Kaufpreise seien »durch landwirtschaftliches Arbeiten nicht mehr in einer Generation zu erwirtschaften«, heißt es in einem Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Den Bauern gehörten im Mittel daher nur noch 40 Prozent ihrer Flächen, den Rest müssen sie pachten. Allerdings stiegen auch die Preise dafür seit 2007 von 183 auf 329 Euro jährlich pro Hektar. Nicht zuletzt aus solchen Gründen geben immer mehr Landwirte ihre Höfe auf. Mittlerweile würden zwei Drittel der Agrarfläche in Deutschland von nur 14 Prozent der Betriebe bewirtschaftet, stellt ein Dossier des Vereins Konzeptwerk Neue Ökonomie fest.

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Entgegen dem Motto »Ackerland in Bauernhand« handelt es sich bei den Eigentümern der Felder zunehmend um Fonds, Konzerne, Versicherungen oder Discounter. Mehr als ein Zehntel der Gesamtagrarfläche, der größte Teil davon in Ostdeutschland, werde von Unternehmensgruppen und juristischen Personen bewirtschaftet, heißt es beim Konzeptwerk. Viele Investoren, die Äcker kaufen, sind keine Agrarunternehmen. Zwar sollen gesetzliche Regelungen das eigentlich unterbinden. Doch sie können umgangen werden, vor allem durch den Erwerb von Anteilen an großen Agrarunternehmen und damit an deren Land. Diese sogenannten Share Deals seien in der Bundesrepublik »ungeregelt«, beklagte ein 2020 vorgestelltes Gutachten der Linksfraktionen in Bund und Ländern.

Bauernverbände wie die AbL fordern von der Politik nachdrücklich, sich um Bodenfragen und Agrarstrukturen zu kümmern. Der Anstieg der Kaufpreise müsse gebremst, die weitere Flächenkonzentration gestoppt werden. Allerdings ist eine bundesweite Lösung nicht möglich. Mit der Föderalismusreform 2006 ging die Zuständigkeit für Grundstücksgeschäfte im Agrarbereich vom Bund auf die Länder über. Diese müssen jeweils einzeln Agrarstrukturgesetze beschließen. Bisher gibt es ein solches nur in Baden-Württemberg.

In Sachsen hat sich die Koalition aus CDU, Grünen und SPD auf einen Entwurf verständigt, zu dem am Donnerstag Experten angehört wurden. Man wolle die »Vielfalt der Agrarstruktur erhalten und entwickeln«, heißt es. Zudem solle der »Zugriff auf landwirtschaftliche Flächen durch Großinvestoren begrenzt« werden. Für Flächenbesitz soll in Sachsen eine Obergrenze von 2500 Hektar gelten. Share Deals sollen angezeigt und geprüft werden müssen. Auch eine Preisbremse soll es geben. Kaufpreise für Ackerflächen dürfen demnach den Verkehrswert nicht um mehr als 30 Prozent übersteigen.

Ob das Gesetz noch vor der Landtagswahl im Herbst beschlossen wird, bleibt abzuwarten. In Thüringen, wo ebenfalls die Wahl bevorsteht, soll es Ende Februar eine Anhörung zum geplanten Agrarstrukturgesetz geben. Es sieht unter anderem vor, dass Share Deals angezeigt werden müssen, wenn mehr als 50 Prozent eines Agrarbetriebs erworben werden; ab 90 Prozent gibt es eine Genehmigungspflicht. In Brandenburg befinde sich ein Entwurf »in der Abstimmung in der Landesregierung«, heißt es. Auch dort wird aber im Herbst gewählt. In Sachsen-Anhalt scheiterten 2016 und 2021 zwei Anläufe für Agrarstrukturgesetze jeweils wegen Landtagswahlen.

Wie wirksam die Gesetze wären, ist offen. Vor allem die Regulierung der Share Deals gilt als juristisch sehr heikel. Es gibt aber auch noch rigorosere Vorschläge, um die Probleme am Bodenmarkt zu lösen. Das Konzeptwerk Neue Ökonomie bringt Vergesellschaftungen ins Spiel. Grundbesitz von Investoren und Großgrundbesitzern solle »ab gewissen Schwellengrenzen« vergesellschaftet werden, um »Gestaltungsräume für bäuerliche Strukturen und demokratische Ernährungssysteme zu schaffen«. Dazu müssten auch »herrschende Eigentumsnarrative hinterfragt und durch solidarische ersetzt werden«.

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