- Berlin
- Kohleausstieg
Einsamer Plan für den Kohleausstieg
Brandenburgs CDU hält am Ausstieg 2038 fest, doch die Grünen wollen den Termin auf das Jahr 2030 vorziehen
In ihrem am Wochenende beschlossenen Programm für die Landtagswahl am 22. September versprechen Brandenburgs Grüne den Kohleausstieg spätestens bis zum Jahr 2030. »Die Zukunft der Lausitz hängt nicht an der Kohle. Die Zukunft der Lausitz hängt an den erneuerbaren Energien«, erklärte Landtagsfraktionschef Benjamin Raschke. Er war schon bei der Landtagswahl 2019 Spitzenkandidat seiner Partei und möchte diese Rolle bei der Landtagswahl 2024 erneut übernehmen. Die Grünen nominieren ihre Landesliste Anfang März.
Der Kohlekompromiss aus dem Jahr 2019 sieht vor, wenn möglich im Jahr 2035, spätestens aber 2038 keine Braunkohle mehr zu verbrennen, um Strom zu erzeugen. Mit ihrer Forderung, den Kohleausstieg auf 2030 oder früher vorzuziehen, »stellen die Grünen einmal mehr unter Beweis, wie realitätsfern diese Partei mittlerweile ist«, reagierte umgehend Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann. »Die Zeitenwende scheint bei den Grünen nicht angekommen zu sein«, urteilte Redmann mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und den Lieferstopp für russisches Erdöl und Erdgas. »Realität ist: Brandenburg braucht jede Kilowattstunde Energie. Die Kraftwerke fahren auf vollen Touren. Wir sind aktuell sogar hinter dem Ausstiegsfahrplan zurück.«
Redmann zufolge verunsichern die Energiepreise Unternehmen und Bevölkerung. »Was wir jetzt brauchen, ist Sicherheit und Stabilität und keine weitere Verunsicherung durch solche Forderungen.« Mit der CDU werde es keinen von der Politik verfügten Kohleausstieg vor 2030 geben, stellte Redmann klar. »Das ist für uns nicht verhandelbar.«
Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hält einen Kohleausstieg bereits bis 2030 für unmöglich. Seit 2019 bilden SPD, CDU und Grüne in Brandenburg die Regierung. CDU-Politiker Redmann deutete schon mehr als einmal an, die Koalition mit den Grünen nicht fortsetzen zu wollen.
Die Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg (Linke) steht zum Kohleausstieg. Sie hegt allerdings Bedenken, ob der versprochene Ausbau der Bahnanbindung und der erneuerbaren Energien so schnell vorankommt wie nötig. Am Ausstiegsdatum will sie deshalb nicht rütteln, fordert aber eindringlich, dass bei den Strukturwandelprojekten mehr Tempo gemacht wird.
In Brandenburg gibt es noch zwei Braunkohlekraftwerke, alle beide im Landkreis Spree-Neiße: Jänschwalde soll schrittweise bis 2028 abgeschaltet werden und Schwarze Pumpe 2038. In Jänschwalde war bereits 2018 der erste von sechs 500-Megawatt-Blöcken vom Netz gegangen und genau ein Jahr später der zweite. Sie gingen in Reservestellung und wurden 2022 wegen der Energiekrise wieder hochgefahren.
»Die Lausitzer Energie AG darf noch bis Ende März 2024 alle sechs Blöcke des Kraftwerks Jänschwalde betreiben«, erläutert Konzernsprecherin Kathi Gerstner. »Danach endet die durch die Bundesregierung beschlossene Versorgungsreserve und die Blöcke E und F werden wieder vom Netz genommen.«
Der vorletzte brandenburgische Braunkohletagebau Jänschwalde war Ende 2023 ausgekohlt und wurde offiziell stillgelegt. Der Kraftwerkbetreiber Leag darf aber noch Arbeiten zur Standsicherheit ausführen und die dabei ausgebuddelte Kohle übergangsweise verwerten. Der letzte verbliebene Tagebau Welzow-Süd wäre voraussichtlich schon vor 2038 ausgekohlt. Die letzten Jahre seiner Laufzeit würde das Kraftwerk Schwarze Pumpe seinen Brennstoff deshalb aus der sächsischen Oberlausitz beziehen.
Gestritten wird in der Koalition derweil nicht nur über den Fahrplan für den Kohleausstieg, sondern auch über den in Verantwortung von Umweltminister Axel Vogel (Grüne) aufgestellten Klimaplan. Es geht dabei um eine Strategie und ein Maßnahmenprogramm, um spätestens im Jahr 2045 ein klimaneutrales Land Brandenburg zu haben. Ministerpräsident Woidke blockiere wegen der Kosten den bereits mit anderen Ressorts der Landesregierung abgestimmten Klimaplan, kritisiert die Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl. »Ohne unsere natürlichen Lebensgrundlagen ist alles nichts«, warnt sie.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.