Europäische Union verschärft Ton gegenüber Israel

EU-Außenbeauftragter drängt auf Zwei-Staaten-Lösung, auch die arabischen Staaten bereiten einen entsprechenden Plan vor

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Tanja Fajon, Außenministerin Sloweniens, Hadka Lahbib, ihre belgische Amtskollegin, und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Brüssel
Tanja Fajon, Außenministerin Sloweniens, Hadka Lahbib, ihre belgische Amtskollegin, und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Brüssel

Aus Brüssel kommen inzwischen deutliche Worte an die rechtsextreme israelische Regierung, die sich kategorisch gegen einen eigenständigen palästinensischen Staat ausspricht. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte in den vergangenen Tagen mehrfach strikt die Eigenstaatlichkeit der Palästinenser abgelehnt und sogar Vorstößen in diese Richtung von US-Außenminister Antony Blinken und US-Präsident Joe Biden eine Absage erteilt. »Ich werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die volle israelische Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans geht – und das steht im Widerspruch zu einem palästinensischen Staat«, schrieb er auf X (vormals Twitter).

Nun scheint es selbst der über den Gaza-Krieg zerstrittenen Europäischen Union (EU) ernst zu sein mit der Zwei-Staaten-Lösung, zu groß ist offenbar der Ärger über die Blockadehaltung Netanjahus. Beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel wurden einige Teilnehmer deutlich: So bezeichnete der französische Außenminister Stéphane Séjourné die Äußerungen Netanjahus als beunruhigend. Es brauche einen Staat für die Palästinenser und keine endlose Besatzung, forderte er. Der Ire Micheál Martin nannte Netanjahus Aussagen »inakzeptabel«. Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel sagte: »Wenn die Israelis glauben, dass die Zwei-Staaten-Lösung keine Lösung ist, dann sind sie ziemlich isoliert.«

Selbst die deutsche Bundesregierung, deren bedingungslose Solidarität mit Israel auch nach 25 000 Toten im Gazastreifen nicht zu wanken scheint, zeigt sich zunehmend kritisch gegenüber Netanjahu. Außenministerin Annalena Baerbock sieht keine Alternative zu einer Zwei-Staaten-Lösung, wie sie in Brüssel sagte. Am Dienstag hat sie dies noch mal in Berlin bekräftigt: »Wir stehen für eine Zwei-Staaten-Lösung, weil wir nicht sagen können: Heute sind wir für das internationale Recht, morgen nicht.« Jetzt sei der Moment, der dies »mehr als deutlich macht«, fügte sie mit Blick auf den aktuellen Konflikt hinzu.

Die arabischen Länder arbeiten offenbar selbst an einem Vorschlag für eine Zwei-Staaten-Lösung nach Ende des Gaza-Krieges. Saudi-Arabien biete im Gegenzug für die Schaffung eines palästinensischen Staates die Anerkennung Israels an, berichtete das »Wall Street Journal« am Montag unter Berufung auf arabische Beamte. Der Vorschlag sei Israel über die USA unterbreitet worden und der erste gemeinsame Plan arabischer Staaten für die Beendigung des Gaza-Krieges und eine Zwei-Staaten-Lösung, hieß es. Die Details des Vorschlags würden noch ausgearbeitet.

Ob der steigende Druck auf Israel Wirkung zeigen kann, gilt jedoch als fraglich. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zeigte sich der israelische Außenminister Israel Katz in den Gesprächen nicht kompromissbereit. Borrell zufolge stellte Katz lediglich Pläne für eine künstliche Insel mit Hafen vor der Küste des Gazastreifens und eine Eisenbahnverbindung mit Indien vor.

Die EU fährt vorerst weiter ihren Kurs verschärfter Sanktionen gegen die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ). Am Freitag wurden neue Maßnahmen beschlossen. Die EU werde »erstmals auch Personen oder Organisationen ins Visier nehmen können, die diejenigen unterstützen, die Gewalttaten der Hamas und des PIJ erleichtern oder ermöglichen – mit anderen Worten: die Sponsoren der Unterstützer der beiden Terrororganisationen«, heißt es in einer Pressemitteilung. Der entsprechende Beschluss und die Verordnung des Rates der EU sprechen von »Zellen, Unterorganisationen, Splittergruppen oder Ableger«, die der Strafverfolgung ausgesetzt werden sollen, wenn diese »zusammen mit, unter dem Namen oder im Namen [der Hamas oder des PIJ, d. Red.] oder zur Unterstützung von diesen anstacheln oder öffentlich aufrufen«. Nicht auszuschließen ist, dass auch pro-palästinensische Initiativen in den Blick der Ermittler geraten könnten, wie bereits geschehen.

Kurios sind in diesem Kontext Äußerungen des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell vom Freitagabend. In einer Rede an der Universität der spanischen Stadt Valladolid sagte er, der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu würde eine Zwei-Staaten-Lösung seit 30 Jahren »boykottieren« und fügte ungewöhnlich offen hinzu: »Um sie zu verhindern, haben sie selbst die Hamas erschaffen. Die Hamas wurde von der israelischen Regierung finanziert, um die Palästinensische Autonomiebehörde der Fatah zu schwächen.« Mit Agenturen

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.