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Carlos Niño: Verbindung mit allem

Carlos Niño ist dem Esoterischen nicht abgeneigt, seine Musik ist trotzdem wunderschön

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Lebt durch und durch musikalisch: Carlos Niño
Lebt durch und durch musikalisch: Carlos Niño

Irgendetwas pulsiert oder wabert immer im Hintergrund der Musik von Carlos Niño. Irgendwie ist das Jazz, aber wirklich im allerweitesten Sinne. Und natürlich auch deswegen in dieser Genre-Rubrik, weil das letzte Album von Niño, »(I’m Just) Chillin’, On Fire«, auf International Anthem erschienen ist, dem zurzeit interessantesten Jazzlabel. Pulsieren, wabern, fließen: Die Musik von Carlos Niño hat eine große New-Age-Affinität. Das Album wurde zusammen mit Freundinnen und Freunden aufgenommen, ein Jam, der sich über 18 Stücke und anderthalb Stunden zieht. Und keinem die Rolle des Stargastes gewährt. Der bekannte Saxofonist Kamasi Washington zum Beispiel ist einer unter vielen und fügt sich mit seinem Instrument in den Gesamtfluss ein.

Überhaupt, Gesamtfluss. Die Hippieweisheit, das alles in der Welt im Fluss ist, kann als ästhetisches Organisationsprinzip dieser Musik gelten. Der Text zum Album beschwört »endlose Felder, grenzenlose Ozeane, Wellen, die an der Küste brechen«. Saxofon-Melodien und Synthie-Flächen schieben sich ineinander, irgendwo plätschert etwas vor sich hin, eine Flötenmelodie segelt selbstvergessen durch den Raum, Percussiongedöns klingelt sanft, eine Stimme verkündet im bedeutsamen Spoken-Word-Modus ewige Wahrheiten: über die mächtige Stille und natürlich, dass »love« »unconditional« sei.

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Die Tracks wurden an unterschiedlichen Orten aufgenommen, mit vielen sehr unterschiedlichen Gästen. Obwohl, »Gäste« trifft es nicht. Carlos Niño ist, vor allem, Percussionist und DJ, und agiert in seiner Musik ebenso: wie ein DJ, der den Rhythmus vorgibt und Stimmungen in einen Ablauf bringt. Und dieser Ablauf ist hier, wie gesagt, ein langer, ruhiger Fluss, in dem alle Stimmen aufgehen sollen, ohne dass eine im Vordergrund stünde.

Ebenfalls Ende 2023 ist »Rainbow Revisited« erschienen, ein Album, das Carlos Niño zusammen mit der südafrikanischen Pianistin Thandi Ntuli aufgenommen hat. Die Songs sind im Vergleich sehr spartanisch, die meiste Zeit Gesang und Soloklavier. »(I’m Just) Chillin’, On Fire« fließt geradezu über, während »Rainbow Revisited« mit dem Gestus eines meditativen Selbstgesprächs daherkommt. Ntuli hat das Album alleine im Studio eingespielt, Niño dann im Nachgang Percussion und Elektronik hinzugefügt. Und das auch nur sehr sporadisch. Außerdem sollen »pflanzliche Ambient-Sounds« auf »Rainbow Revisited« wenn schon nicht zu hören, so doch zumindest zu spüren sein.

Carlos Niño kleidet sich gerne in schamanistische Gewänder, hat einen riesengroßen, Weisheit suggerierenden Vollbart und ist esoterischem Vokabular nicht abgeneigt. »I live music, and I live musically, aware of sound vibration in, of, with and surrounding everything.« (Ich lebe Musik, und ich lebe musikalisch, ich bin mir der Sound-Vibrationen in und mit allem und um alles herum bewusst.) Kollaboration sei das Wichtigste, die Verbindung mit allem. Das kann man banal finden. Und die Musik auf »(I’m Just) Chillin’, On Fire« gleitet auch immer wieder mal ins Seichte ab. Aber dem könnte man sich ja auch durchaus mal öffnen. Dass es eine Liebe gibt, die bedingungslos ist, stimmt ja, und dass Stille etwas sehr Mächtiges sein kann, auch. Wer eventuelle Vorbehalte gegenüber Hippietum und -kitsch runterdimmt, kann mit dieser Musik viel Freude haben. Sie ist in ihrer radikalen Gewaltlosigkeit nämlich wirklich wunderschön.

Carlos Niño & Friends: (I’m Just) Chillin’, on Fire (International Anthem/Indigo); Thandi Ntuli with Carlos Niño: Rainbow Revisited (International Anthem/Indigo)

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