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Bezahlkarten: Kartentrick gegen Geflüchtete
Berliner Flüchtlingsrat hält die geplante Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber für gefährlich
Überwachung, Kontrolle und Restriktion – das könnte die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber*innen mit sich bringen, befürchtet der Berliner Flüchtlingsrat. In einer aktuellen Pressemitteilung wendet er sich gegen die Pläne des Berliner Senats, Leistungen für Asylbewerber*innen bargeldlos über eine extra dafür geschaffene Karte abzuwickeln. Und er appelliert an die Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), ihre kritische Haltung gegenüber diesem Instrument beizubehalten.
Die hatte sich noch bis vor kurzem vehement gegen die Idee ausgesprochen, »durch die Einführung einer Bezahlkarte Migrantinnen und Migranten abzuschrecken«, wie sie dem »Tagesspiegel« sagte. Der Zeitung zufolge will die Landesregierung jedoch schon in der gemeinsamen Sitzung am Dienstag die verbindliche Teilnahme am Vergabeverfahren beschließen. Damit würde sich Berlin gemeinsam mit 13 weiteren Bundesländern an einer Ausschreibung beteiligen, bei der der IT-Dienstleister Dataport einen Anbieter für die guthabenbasierten Debitkarten aussucht.
Die Beschlussvorlage soll mehrere Mindestanforderungen an das Bezahlkarten-System festlegen: So will Kiziltepes Integrationsverwaltung über »individuelle Betragsgrenzen zur Barauszahlung« entscheiden können. Eine Bezahlkarte ohne jeglichen Zugang zu Bargeld hatte Kiziltepe zuvor abgelehnt.
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Bisher holen in Berlin registrierte Asylbewerber*innen ohne eigenes Konto die Leistungen als Bargeld-Auszahlung entweder direkt in den Unterkünften, im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten oder in den bezirklichen Sozialämtern ab. Im November 2023 hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) auf das Ziel verständigt, diese Bargeldzahlungen durch ein bundesweites Bezahlkarten-System zu ersetzen.
Asylbewerber*innen sollten demnach mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen. Die solle nur in Deutschland, möglicherweise nur in einer bestimmten Region funktionieren, Überweisungen könnten nur eingeschränkt oder gar nicht möglich sein. Ob und wie Nutzer*innen an Bargeld kommen sollten, wurde nicht entschieden. Bis zum 31. Januar will eine Bund-Länder-Gruppe einheitliche Mindeststandards erarbeiten.
Die Argumente für diese Bezahlkarte folgten einer migrationsfeindlichen Logik: So müsste der angebliche Anreiz für Migrant*innen, nach Deutschland zu kommen, um hiesige Geldleistungen in ihre Herkunftsländer zu schicken, geschmälert werden. Laut dem Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung lässt sich jedoch weder nachweisen, dass die Aussicht auf Bargeld vom deutschen Staat Menschen in ihrer Fluchtentscheidung beeinflusst, noch dass dieses Geld tatsächlich ins Ausland fließe.
Und selbst wenn: Das Ziel, Migration zu regulieren, legitimiert keine sozialpolitische Drangsalierung. Das zumindest betont Andrea Kothen von Pro Asyl gegenüber »nd«. Laut Bundesverfassungsgericht dürfte die Menschenwürde nicht für migrationspolitische Zwecke relativiert werden. Doch genau das passiere aktuell: »Das Thema Bezahlkarte wurde in die politische Debatte vor allem mit dem einen Argument eingeführt: Die Asylzahlen müssen runter«, sagt Kothen.
Sie bezweifelt zwar, dass das Bezahlkarten-System die Zahl der Asylanträge senken würde: »Das ist illusorisch, das Getöse darum dient aber als Signal an die Ressentiment-geladenen Teile der Bevölkerung.« Doch es könnte die Rechte der Kartennutzer*innen maßgeblich beschneiden, etwa wenn die Karte nur in einer bestimmten Region funktioniert und dadurch die Bewegungsfreiheit innerhalb Deutschlands einschränkt. Oder wenn die Möglichkeit zur Überweisung fehlt und damit so etwas Zentrales wie ein Telefonvertrag unmöglich wird.
Doch es gibt auch positive Beispiele für ein Bezahlkarten-System: Hannover hat etwa schon lange vor dem MPK-Beschluss die Bezahlkarte geplant und Anfang des Jahres eingeführt – allerdings nur für Asylbewerber*innen, die kein eigenes Konto eröffnen können, erklärt Kai Weber, Pressesprecher vom Flüchtlingsrat Niedersachen. Sie enthalte keinerlei Einschränkungen.
»Die Idee war hier gar nicht von einer Diskriminierungsabsicht geprägt«, sagt Weber zu »nd«. Im Gegenteil: Nicht nur Geflüchteten ohne Identitätsnachweis, auch Wohnungslosen oder anderen sozial ausgeschlossenen Menschen eröffne die Karte einen Weg zum eigenen Konto. Außerdem entlaste das System die Behörden, die dadurch nicht mehr für die monatliche Auszahlung zuständig seien. »Aber wir sehen natürlich die Gefahr, dass die Karte bei anderen Mehrheitsverhältnissen zu Diskriminierungszwecken missbraucht werden kann«, gibt Weber zu.
Um gar nicht erst die Möglichkeit zum Missbrauch zu schaffen, spricht sich der Flüchtlingsrat Berlin prinzipiell gegen die Bezahlkarte aus. »Selbst wenn man sogenannte Mindeststandards etabliert, ist vollkommen unklar, wie das System in Zukunft weiter genutzt wird. Wer einmal die Büchse der Pandora öffnet, bekommt sie so schnell nicht wieder geschlossen«, sagt Flüchtlingsrat-Sprecherin Sina Stach.
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