Die Hauptstadt der Liebe

Andreas Koristka freut sich über eine Explosion der Zuneigung in der Berliner Verwaltung

Der Winter dauert nun schon viel zu lange. Doch aus der Hauptstadt hört man wieder leises Vogelgezwitscher. Denn der Frühling stellt sich langsam in die Startlöcher und schickt seine Frühlingsgefühle gratis vorweg. Diese haben schon vor einiger Zeit etwas vorfristig den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, von oben bis unten mit ihrem zarten Zauber benetzt.

Man kann dem Mann keinen Vorwurf machen. Unter solchen Umständen kann er sich natürlich nicht aussuchen, in wen er sich verliebt und ob er die Person zur Schulsenatorin ernennt oder ihr doch lieber nur einen Blumenstrauß kauft. Kai Wegner hat sich eben für die Schulsenatorin-Variante entschieden. Und schuld daran sind ausschließlich die Schmetterlinge in seinem Bürgermeisterbauch. In der Fachsprache der Liebe nennt sich das vorfrühlingsinduzierte Verknalltheit der Stufe IV. Wer unter dieser Form von romantischen Gefühlen leidet, der ist froh, wenn er während der Arbeitszeit kurz den Lovechat auf Whatsapp verlassen kann, um Mittagspause zu machen.

Letztlich ist das Verhalten des Berliner Bürgermeisters menschlich. Warum sollte Kai Wegner nicht lieben können? Weil er Spandauer ist? Oder Mitglied der CDU? Oder weil er Versicherungskaufmann gelernt hat? Wer so etwas vermutet, der weiß nicht, dass die Liebe ein seltsames Spiel ist. Sie wandert von Kai Wegner zu Katharina Günther-Wünsch. Das hat doch nichts mit Filz zu tun, sondern ausschließlich mit ehrlichen, tief empfundenen Gefühlen.

Andreas Koristka

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift "Eulenspiegel". Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Kai Wegner hat jedenfalls nichts Unredliches getan. Ganz im Gegenteil: Wer dem eigenen Partner den Posten des Schulsenators nicht zutraut, hat ihn vielleicht nie richtig geliebt! Denn in diesem Amt kann man nun wirklich nichts kaputtmachen. Erst recht nicht in einem von Kai Wegner geführten Senat. Wer von den Geburtenzahlen ablesen kann, wie viele Schulkinder es in etwa in sieben Jahren gibt, ist für den Job schon überqualifiziert.

Vielleicht helfen die amourösen Verbindungen im Senat sogar, die Arbeitsprozesse effektiver zu gestalten. Denn in den Sitzungen kann neben den wichtigsten Problemen Berlins auch geklärt werden, ob Kai Wegner nach der Arbeit noch was zum Abendessen kaufen soll und Klopapier und Mülltüten mitbringen kann.

Davon profitieren alle Berliner. Deshalb ist es umso schöner, dass Amors Pfeile schon wieder in der Berliner Verwaltung eingeschlagen sind. Der Leiter des Leitungsstabs der Senatskanzlei und die Leiterin des Leitungsstabs der Bildungsverwaltung sollen gnadenlos ineinander verschossen sein. Beide arbeiten in neu geschaffenen Positionen und kannten sich vorher nur aus ihrer Arbeit in der Bundesgeschäftsstelle der CDU. Zufälle gibt es …

Aber natürlich kann man bei jedem Zufall etwas nachhelfen. Zum Beispiel könnte man das neue Amt der Leitung der Leitung des Leitungsstabs in allen Berliner Verwaltungen schaffen und dafür nur CDU-Mitglieder einstellen, die sich vorher auf Tinder gematcht haben. Danach dann die Leitung der Leitung der Leitung ... Und so weiter. Paris könnte einpacken und Berlin wäre die Hauptstadt der Liebe.

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