Kaufen, was man nicht gesucht hat

Thailändisches Handelsimperium könnte Kadewe in neue Shoppingsphären führen

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Nobelkaufhaus Oberpollinger in der Münchner Fußgängerzone
Im Nobelkaufhaus Oberpollinger in der Münchner Fußgängerzone

Gut möglich, dass sich in Bangkok gerade jemand die Hände reibt. Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts ist Tos Chirathivat knapper Mehrheitseigner der Kadewe-Gruppe, zu der neben dem Berliner Nobelkaufhaus auch das Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg gehören. Nach der Kadewe-Insolvenz könnte der 59-Jährige den Rest der Anteile auch noch kaufen, womöglich zum Schnäppchenpreis.

Der Kopf der Central Group, zu der ein Handelsimperium bestehend aus Gastronomie von Hotels bis Restaurants sowie Einzelhandel mit 120 Kaufhäusern gehört, ist Multimilliardär. In ihrer Heimat Thailand sind die Chirathivats laut dem US-Wirtschaftsmagazin »Forbes« die viertreichste Familie, in ganz Asien zählen sie zu den zehn reichsten Sippen. Ein verstärktes Engagement bei Kadewe könnte zu ihren Expansionsplänen passen. Über das vergangene Jahrzehnt wurde auch in London, Mailand und Zürich in Kaufhäuser investiert.

Partner für das Europageschäft war bisher der österreichische Immobilieninvestor René Benko, dessen Signa-Holding bereits im November Insolvenz anmelden musste. Bei Signa wie der Kadewe-Gruppe gelten als Gründe für die Pleiten gestiegene Baukosten, steigende Kreditzinsen, hohe Mieten, teilweise auch ein verändertes Kaufverhalten der Menschen in Zeiten des Internets.

In der deutschen Wirtschaftsgeschichte markiert die Kadewe-Insolvenz einen Einschnitt. Gerade der 1907 gegründete Berliner Konsumtempel symbolisierte den ökonomischen Wiederaufstieg Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und sollte in der zweigeteilten Stadt auch für eine Überlegenheit des Kapitalismus stehen.

Doch warum will die Central Group noch mehr in ein Geschäft investieren, das zumindest kränkelt? Wer einmal in Thailand eine Mall betreten hat, kann sich vorstellen, was die Chirathivats im Schilde führen könnten. Hier ist Shoppen ein anderes Erlebnis als in Europa – und ein Besuch in einer Mall des Marktführers mehr als eine Einkaufstour. Gerade die nobleren Kaufhäuser der Central Group zeichnen sich neben glitzernden Böden und funkelnden Ladenzeilen auch durch eine größere Bandbreite an Produkten und Dienstleistungen aus. Die Riesenmall Central World in Bangkok, mit 500 Läden eine der größten der Welt, bietet teure Handtaschen, aber auch Handyakkus und Reparaturen. Es gibt große Hallen für Konzerte, Ausstellungen oder Messen, mehr als zehn Kinos und Foodcourts, die mit Gerichten aus vielen Küchen der Welt locken. Oft verliert man die Orientierung in solchen Kaufpalästen – etwa wenn ein Haus direkt ins nächste führt. Ein verwirrendes System von Rolltreppen sorgt dafür, dass man plötzlich woanders landet als gedacht und vielleicht noch etwas kauft, was man gar nicht gesucht hat.

Was Ikea durch manipulative Ladenaufstellung macht, beherrschen die Einkaufstempel der Central Group bis zur Perfektion. Und diejenigen dahinter haben das System auch anderswo in Südostasien verbreitet, vor allem im boomenden Vietnam.

Dabei ist der öffentlichkeitsscheue Tos Chirathivat nur der Kopf der Familie, gemanagt wird die Central Group von mehreren Familienmitgliedern – der Clan zählt mittlerweile rund 200 Personen. Der Zusammenhalt gilt als stark, Eskapaden oder öffentlich ausgetragene Fehden gibt es kaum. Großen Anteil daran soll Großvater Tiang Chirathivat haben, der in den 1920er Jahren von China nach Thailand kam, offenbar auf der Flucht vor Piraten, und in Bangkok einen Kiosk aufmachte. Mit drei Ehefrauen zeugte er 26 Kinder, sein ältester Sohn Samrit eröffnete in den 1950er Jahren einen Buchladen, der bald zum Kaufhaus ausgebaut wurde. Aus diesem erwuchs ein Imperium.

Wobei die Umsätze in der Pandemie auch hier deutlich schrumpften. 2019 hatte das Vermögen der Chirathivats laut »Forbes« noch 21 Milliarden US-Dollar betragen, im ersten Corona-Jahr 2020 halbierte sich dieser Wert. Seither befindet sich das Geschäft aber wieder auf Wachstumskurs.

Ein verstärktes Engagement auch in Europa gehört zur Strategie. Das Londoner Kaufhaus Selfridges etwa, das sich am thailändischen Allroundkonzept einer Mall anlehnt, wurde in der Branche wiederholt zum »besten Kaufhaus der Welt« gekürt. Die konservativere Kundschaft könnte allerdings die Nase rümpfen, wenn hier auch Kinos oder gar Theater und Museen entstehen.

Aber gerade die Integration verschiedener Konsum- und Kulturbereiche könnte Kaufhäuser retten. Seit Jahren kriselt das Ladengeschäft, weil insbesondere jüngere Leute mehr online einkaufen. In dieser Gruppe aber ist die Faszination für asiatische Trends – von japanischer Ästhetik über koreanische Musik bis hin zu vietnamesischem Essen – so groß wie nie. Und künftig auch für Shoppingangebote à la Thailand?

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