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EU-Gipfel der Milliarden
Der EU-Haushalt soll aufgestockt werden, auch wenn viele Gelder ungenutzt bleiben
Die Europäische Union muss an diesem Donnerstag in Haushaltsfragen nachsitzen. Erneut trägt der Aufschub einen Namen: Viktor Orbán. Ende vergangenen Jahres verweigerte Ungarns Ministerpräsident einem 50-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Ukraine die Zustimmung. Ohne das »Ja« des Quertreibers läuft nichts bei Entscheidungen, die einstimmig von allen 27 EU-Mitgliedstaaten zu treffen sind.
Orbán, der aus wirtschaftlichen wie politischen Gründen auf gute Beziehungen zu Russland wert legt, »schlachtet dieses Vetorecht leidlich aus«, kritisiert das wirtschaftsnahe Centrum für Europäische Politik in Freiburg. Ähnliche Töne sind aus der Ampel-Koalition in Berlin zu hören. Kurz vor dem Dezember-Veto hatte Orbán zwar noch den Weg für Aufnahmeverhandlungen mit der Ukraine frei gemacht, indem er vor der Abstimmung aus dem Saal ging. Allerdings ließ er sich dieses ungewöhnliche Verhalten mit rund 12 Milliarden Euro an EU-Beihilfen vergolden. Die Finanzmittel waren – wie die von Polen – eingefroren, wegen Verletzungen des Rechtsstaatsprinzips.
Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten im Brüsseler Résidence Palace treffen, geht es allerdings vor allem um die Halbzeitüberprüfung des »langfristigen Haushalts 2021–2027« und damit um viel Geld. Vorgesehen sind bislang Ausgaben über 1216 Milliarden Euro. Den dicksten Brocken davon bildet zum einen die Gemeinsame Agrarpolitik. 378,5 Milliarden Euro, mehr als 30 Prozent der Ausgaben, fließen in den Erhalt der Landwirtschaft. Fast genauso viele Milliarden werden zum anderen für die Unterstützung strukturschwacher Regionen ausgegeben, um Standortnachteile abzubauen und Anschluss an die sonstige Wirtschaftsentwicklung in der EU zu finden.
Gefüllt wird der Brüsseler Riesentopf von den 27 Mitgliedstaaten, die je nach wirtschaftlicher Stärke ihren Beitrag leisten. Die rund 1,2 Billionen Euro werden dann im Vorfeld je nach Bedürftigkeit auf die Staaten verteilt. Abrufen können sie die Mittel aber erst, wenn entsprechende Programme und Projekte vorliegen, etwa für die Altstadtsanierung von Erfurt oder Buslinien in Brandenburg. Wie Frankreich oder Italien gehört Deutschland zu den Nettozahlern. Es profitiert aber auch wie kein zweites Land vom Europäischen Binnenmarkt. Im vergangenen Jahr gingen rund 55 Prozent der deutschen Exporte in Staaten innerhalb der EU.
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In der Hamburger Börse hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor wenigen Tagen noch einmal ihre Strategie des »Green Deal« erläutert, mit der Wirtschaft und Gesellschaft umgestaltet werden sollen. Ein knappes Drittel der benötigten Mittel dafür soll aus dem normalen Haushalt fließen, ein weiteres aus dem Aufbauinstrument »Next Generation EU«, der auch Wiederaufbau- oder Corona-Fonds genannt wird. Dieser umfasst rund 800 Milliarden Euro. Die Hälfte soll aus Krediten finanziert werden.
Alles in allem zwei Billionen Euro reichen von der Leyen aber nicht. »Angesichts beispielloser und unerwarteter Herausforderungen, wie der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die Covid-19-Pandemie sowie steigende Zinssätze, muss der langfristige Haushalt der EU aufgestockt werden, da er unter Druck geraten ist.« Daher werden die Staats- und Regierungschefs heute auch über einen Zuschlag von 64,6 Milliarden Euro verhandeln.
50 Milliarden – davon 33 Milliarden in Form von Krediten – sollen an die Ukraine gehen. Der Rest ist für Migrationsabwehr und für den EU-Rüstungsfonds vorgesehen. Zur Finanzierung sollen die Mitgliedstaaten 21 Milliarden Euro frisches Geld bereitstellen, von denen Deutschland etwa ein Viertel zahlt. 10,6 Milliarden möchte Brüssel aus EU-internen Budgetposten wie einem Forschungsprogramm umbuchen.
Eine gewisse Ironie liegt darin, dass die Staaten schon die deutlich geringeren Mittel aus der abgelaufenen Förderperiode 2014 bis 2020 nicht vollständig abgerufen haben. 42 Milliarden Euro sind noch übrig, wie eine unveröffentlichte Übersicht der EU-Kommission zeigt, die der »FAZ« vorliegt. Die Kommission hat daher die Antragsfrist verlängert.
Von den Strukturhilfen der laufenden Finanzperiode 2021 bis 2027 sind nach drei Jahren gerade einmal 2,9 Prozent der Fördermittel an die Mitgliedstaaten geflossen. Viele vor allem finanzschwächere EU-Staaten tun sich schwer damit, geeignete Projekte zu finden, die mit EU-Mitteln gefördert werden können. Was auch daran liegt, dass oft eine Kofinanzierung durch die betroffene Region zu leisten ist. Grundsätzlich ist die EU-Förderquote auf 70 Prozent begrenzt.
Ungarns Regierungschef dürfte auch dieses Mal letztlich einlenken, was seinen Preis haben wird. Im Europäischen Rat ist Einstimmigkeit der 27 Staaten bei Angelegenheiten erforderlich, die die Mitgliedstaaten als »sensibel« betrachten. Dazu gehören neben der Außen- und Sicherheitspolitik eben die Finanzen. Manche Staaten schlagen daher eine Reform des EU-Vertrages vor, doch auch dieser müsste Orbán zustimmen.
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