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Filmen von Polizei: »Entscheidend ist die Öffentlichkeit«
Die von Rassismus betroffene Elisabeth M. wird für das Aufnehmen einer Polizeimaßnahme verfolgt
Ihre Mandantin hat vor dreieinhalb Jahren einen Polizeieinsatz aufgenommen und wurde schließlich vom Amtsgericht Kaiserslautern zu einer Haftstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Was war da passiert?
Der Vorwurf war, dass sie »unbefugt das nicht öffentliche gesprochene Wort« aufgezeichnet und im Anschluss Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet habe. Es begann bei einer Kontrolle von Jugendlichen auf einem öffentlichen Platz in Kaiserslautern. Am Rande stand Elisabeth M., filmte den Boden und nahm den Ton auf. Dies machte sie gegenüber den Beamten auch kenntlich und wurde dann von diesen kontrolliert. In der Verhandlung hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie als Schwarze Frau grundsätzlich Angst bei Polizeikontrollen hat und deshalb lieber eine Aufzeichnung hätte, falls etwas passiert. Genau das ist dann auch passiert.
Dr. Jannik Rienhoff ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Sein Fachgebiet erstreckt sich nicht nur auf die umfassende Verteidigung in verschiedenen strafrechtlichen Bereichen, sondern auch auf die Interessenvertretung von Opfern und Zeugen. Rienhoff ist Lehrbeauftragter an der Universität Marburg.
Was war denn die angebliche, konkrete Widerstandshandlung?
Weil sie sich weigerte, das Handy abzuschalten, nahmen die Beamten ihr das Telefon ab und die Beteiligten gerieten in Streit. Hierbei soll die Mandantin den Beamten an die Schulter gefasst haben und wurde daraufhin festgenommen, dabei verletzt und zeitweise ohnmächtig. Diese Rangelei um das Handy wertete das Gericht als Widerstandshandlung. Wehrt man sich gegen eine rechtswidrige Maßnahme, ist der Widerstand aber meistens nicht strafbar. Deshalb wollten wir einen Freispruch. Wegen des eigentlichen Filmens wurde sie nicht verurteilt, dies wurde eingestellt.
Wenn die filmende Person die Aufnahmen nicht veröffentlicht, liegt doch eigentlich kein Verstoß vor?
Die Polizei hat jahrelang versucht, über das Kunsturheberrecht das Filmen von Einsätzen zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 dem aber ein endgültiges Ende gesetzt. Daher kann die Polizei auch nur in engen Grenzen verlangen, dass eine Aufnahme gelöscht wird. Es muss demnach einiges darauf hinweisen, dass die betreffende Person die Aufnahmen veröffentlichen will. Das Gesetz macht aber Ausnahmen, wenn etwa ein Geschehen der Zeitgeschichte abgebildet ist oder eine Versammlung oder ähnliches aufgenommen wird. Das Verpixeln von Gesichtern kann hier jedoch notwendig oder sogar sinnvoll sein.
Inzwischen stützen die Beamten, wie auch im Fall Ihrer Mandantin, die Maßnahmen gegen das Filmen ihrer Einsätze auf den Paragraf 201 des Strafgesetzbuches. Der wird auch als »Abhörparagraf« bezeichnet ...
Der Paragraf verbietet die Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes. Er ist quasi der neue Weg der Polizei, zu verhindern, sich mithilfe von Kameras kontrollieren zu lassen. Meiner Meinung nach passt die Norm aber nicht. Sie setzt eine vertrauliche Sphäre voraus. Die Regelung soll die Unbefangenheit zwischenmenschlicher Kommunikation sichern. Diese Vertraulichkeit des Wortes ist aber nicht betroffen, wenn es um eine polizeiliche Maßnahme geht. Im Fall von Elisabeth war den Beamten auch bekannt, dass gefilmt wird.
Im Streit um das Filmen der Polizei geht es um die Definition einer »faktischen Öffentlichkeit«. Inwiefern war diese im Fall Ihrer Mandantin gegeben?
Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat leider die Ansicht des Amtsgerichts geteilt und entgegen anderer höherer Gerichte das Urteil bestätigt. Es hat gesagt, dass die Unterhaltung der Beamten nicht öffentlich waren und dem Schutz des Paragrafen 201 unterliegen – obwohl die Personen der kontrollierten Gruppe und ein unbeteiligter Zeuge mithören konnten. Das Gericht sah hierin aber keine »faktische Öffentlichkeit«, die Beteiligten hätten zu weit am Rand des Geschehens gestanden. Damit sei die Atmosphäre vertraulich und die Beschlagnahme rechtmäßig und der Widerstand letztendlich strafbar. Die Richter*innen haben aber sehr auf den konkreten Einzelfall reagiert. Andere Gerichte, etwa das Oberlandesgericht Düsseldorf, haben in anderen Fällen grundsätzlicher geurteilt.
Welche polizeilichen Maßnahmen dürfen also nach geltender Rechtsauslegung gefilmt werden?
Entscheidend ist die Öffentlichkeit. Solange es um einen Einsatz geht, bei dem mehrere Personen zuschauen und zuhören können – zum Beispiel bei Versammlungen – ist das Filmen unproblematisch möglich. Ich halte dies auch für wichtig, weil Polizist*innen mit Bodycams ebenso filmen und die Polizei vor Gericht als deutlich glaubwürdiger wahrgenommen wird als Bürger*innen. Oftmals können nur Filmaufnahmen falsche Angaben von Beamten widerlegen. Ich würde mir mehr Klarheit in der Rechtsprechung wünschen. Das Filmen sollte erlaubt sein und Gerichte sollten grundsätzlich auch ein Interesse von objektiven Beweismitteln haben. Davon abgesehen sollten polizeiliche Aussagen ebenso kritisch überprüft werden, wie die von Bürger*innen. Das ist kein Misstrauen, sondern Rechtsstaatlichkeit. Polizeieinsätze sind kein Privatvergnügen und bedürfen grundsätzlich der Möglichkeit einer rechtsstaatlichen Kontrolle.
Ihre Mandantin ist eine Schwarze Frau. Hat Rassismus in dem ursprünglichen Verfahren eine Rolle gespielt?
Ich habe mein Plädoyer damals in Kaiserslautern mit einem Zitat aus dem Film »Die Jury« begonnen. Dort wählt der Schwarze Angeklagte einen weißen Anwalt und begründet dies damit, dass dieser »einer von ihnen«, einer der Weißen, sei. Ich habe dann die Frage gestellt, »Welcher weiße Mann hat Angst, dass etwas passiert, das er lieber dokumentiert haben möchte?«. Es spielt durchaus eine Rolle, dass meine Mandantin Schwarz ist und die Beamt*innen weiß.
Nach über drei Jahren hat nun ein Polizist Ihre Mandantin in der Sache verklagt. Eine Retourkutsche?
Einer der beteiligten Beamt*innen will jetzt 3000 Euro Schmerzensgeld dafür, dass über den Fall im Fernsehen und in der Presse berichtet wurde. Meine Mandantin soll falsche Dinge über den Vorfall gesagt haben. Zudem sei dem Mann Rassismus vorgeworfen worden. Sie hat diesen Vorwurf allerdings nie selbst gemacht. Außerdem wurde zu keiner Zeit der Name des Polizisten genannt. Ich weiß wirklich nicht, welche Schmerzen der Beamte gehabt haben will und wie er dreieinhalb Jahre nach dem Vorfall darauf kommt, dies einzuklagen.
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