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Freudentanz bei Tennis Borussia, Wut beim BFC Dynamo
BallHaus Ost: Wie viele Versprechen der Berliner Politik führt auch die Stadionfrage in der Hauptstadt zu Ärger
Vor der vorigen Berliner Wahl im Frühjahr 2023 zeigte sich CDU-Bürgermeisterkandidat Kai Wegner beim BFC Dynamo im Sportforum Höhenschönhausen – öffentlichkeitswirksam mit frisch polierter Glatze – und kündigte im Wahlkampffieber seine Unterstützung für den Ausbau der Heimstätte des Vereins zum Drittligastadion an. Das Vorhaben wurde nach seinem Wahlsieg in den Koalitionsvertrag aufgenommen, dann passierte ein paar Momente nichts – bis SPD-Innensenatorin Iris Spranger jüngst verkündete, das Charlottenburger Mommsenstadion solle für die Europameisterschaft im Sommer auf Kosten des Senats drittligatauglich gemacht werden.
Vom Sportforum war keine Rede mehr, beim BFC flatterten die Fahnen auf Halbmast und Wirtschaftsratschef Peter Meyer schrieb desillusioniert im Fanforum: »Ich habe daran geglaubt, und in meinem Leben ist ein Handschlag unter Männern immer etwas wert gewesen. Der Traum vom Sportforum ist gestorben, und es gibt keine Hoffnung mehr.« Dynamo-Fans starteten eine Online-Petition, die bisher von überschaubaren 5700 Menschen unterzeichnet wurde.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Der Gewinner der vergangenen zwei Berliner Fußballwochen heißt also Tennis Borussia. Dort kann man es gar nicht glauben – so viel Glück für einen ambitionsfreien Fünftligisten, der so weit von der 3. Liga entfernt ist wie die Erde vom Mars. Ab heute nur noch Champagner! Wie aus dem Nichts bekommt Tebe ein halbneues Stadion hingestellt, weil für die EM ein weiteres Trainingsstadion in unmittelbarer Nähe des Olympiastadion gebraucht wird, heißt es. Ich gratuliere!
Der in der Stadionfrage abgehängte BFC gewann am Wochenende 1:0 in Meuselwitz, chillt auf Platz zwei und ist ein heißer Kandidat für die 3. Liga. Nur Greifswald steht gegenwärtig dem erstmaligen Aufstieg Dynamos in den Profifußball im Wege, was für eine Chance für den BFC und Berlin! Zwischendurch meldete sich ein dynamisch dementierender CDU-Lokalpolitiker aus dem Hohenschönhausener Sportforum: »Ich habe immer gesagt, ich habe noch Hoffnung. Und diese Hoffnung ist seit dem Gespräch der Koalitionspartner wieder größer geworden.« Aha. Ob sich hinter der kuscheligen Auskunft ein vorgeschobener lokaler Politikzwerg im Labermodus oder ein wahrer Menschen- und BFC-Freund verbirgt, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.
Am Freitag dürfen die Tennisborussen in der Oberliga vorerst letztmalig im Mommsenstadion kicken. Rollen dann wirklich die Bagger und das Areal strahlt im Juni im neuen Glanz? Ich wage das ein wenig zu bezweifeln, schließlich leben wir in Berlin, der Stadt der uneingelösten Politikversprechen – oder soll ich »Versprecher« schreiben (Wohnungsbau, Verkehr, Jahnsportpark, Stadtautobahn, Flughafen, Tempelhofer Feld)?
Es gibt aus Berliner Sicht aber auch Gutes zu vermelden. Am Sonnabend sorgte Herthas Ostkurve beim Spiel gegen den HSV im Olympiastadion mit fliegenden Tennisbällen für 32 Minuten Spielunterbrechung – um so gegen den Investoreneinstieg in der DFL zu protestieren, der von allen aktiven Fangruppen abgelehnt wird. Ganz großes Tennis!
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