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Biber in Hannover: Egon und Gerda warten auf neues Zuhause
Das Biberpaar wurde nicht umgesiedelt, bevor ihr Revier in der Leinemasch in Hannover der Rodung zum Opfer fiel. Nun erwarten die Tiere Nachwuchs
Ein Video zeigt, wie Egon und Gerda am Tümpel sitzen und sich putzen. Im Hintergrund sind die Lichter vorbeifahrender Autos zu sehen. Egon und Gerda – so haben Aktivist*innen die beiden Biber genannt, die in dem Landschaftsschutzgebiet Leinemasch in Hannover leben, in unmittelbarer Nähe einer Schnellstraße. Mitte Januar wurden große Teile der Waldfläche abgeholzt, da die Straße verbreitert werden soll. Dabei wurde auch die Protest-Baumbesetzung Tümpeltown geräumt.
Die Biber wurden zuvor jedoch nicht umgesiedelt, obwohl die Tiere streng geschützt sind und Aktivist*innen und Umweltschützende seit fünf Monaten darauf hinweisen, dass das Pärchen ein neues Revier braucht. »Aufgrund der zahlreichen Aktivitäten rund um das Gewässer« – gemeint ist wohl die Tümpeltown-Räumung – »konnte ein störungsfreies Einfangen zum Zwecke einer Umsiedlung zunächst nicht gewährleistet werden«, begründet Philipp Westphal, Sprecher der Verwaltung Region Hannover, auf nd-Anfrage das Versäumnis.
Unmittelbar vor der Rodung seien dann »keine Biberaktivitäten mehr nachweisbar« gewesen. Der Trubel rund um die Räumung oder das vorangegangene Hochwasser könnten die Tiere bereits vertrieben haben. »Wenn man nicht guckt, kann man natürlich auch keine Biber nachweisen«, sagt dazu Werner Musterer. Der Klimaaktivist und Biberexperte aus Hannover beobachtet die nachtaktiven Tiere schon lange. Er kann mit täglichen Wildtierkameraaufnahmen belegen, dass seit Juli 2023 zwei Biber an dem Tümpel leben und auch, dass beide aktuell noch dort sind.
Er ist froh, dass Egon und Gerda die Rodungsarbeiten gut überstanden haben, obwohl er am Südufer des Teichs tiefe Fahrspuren gesichtet hat, die nahelegen, dass schweres Gerät direkt über den unterirdischen Biberbau gefahren ist. »Das Leben der Tiere war stark gefährdet«, sagt Musterer zu »nd«. Er sieht darin einen Verstoß gegen das Naturschutzgesetz, zumal Eingriffe in den Lebensraum geschützer Arten eigentlich stark einschränkt sind. Dass die Untere Naturschutzbehörde dafür »keine Anhaltspunkte« sieht, hält er für eine »reine Schutzbehauptung«.
Die Landesstraßenbaubehörde hatte lange behauptet, die Biber kämen nur zur Nahrungssuche, hätten ihr Revier aber eigentlich woanders. Musterer konnte dies widerlegen: Auf einigen Videos würden die Tiere eine Abtauchbewegung machen, die typisch für den Zugang zum unter Wasser zugänglichen Bau sei. Auch Baumstämme in der Nähe wiesen eindeutige Biberspuren auf. Neu sei, dass Egon und Gerda in jüngster Zeit fast nur noch zu zweit zu sehen seien und sehr viel Körperkontakt hätten. Das deute darauf hin, dass sie bald Nachwuchs bekommen. Anfang des Jahres ist die Paarungszeit von Bibern, schon im April könnten sie Jungtiere haben.
Zumindest das gestehen auch Naturschutz- und Straßenbaubehörde ein. Die beiden Ämter hätten ein Umsiedlungskonzept erarbeitet, das nun umgesetzt werden solle, bevor der Nachwuchs kommt, erklärt Westphal. Im Zuge der anstehenden Straßenbauarbeiten soll ihr jetziger Tümpel nämlich zugeschüttet werden. Potenzielle Ersatzgewässer in der Region Hannover seien auf ihre Tauglichkeit geprüft und eines gefunden worden, in dem nun ein künstlich angelegter Biberbau auf Egon und Gerda warte. Der genaue Standort werde zum Schutz der Tiere nicht öffentlich gemacht.
Mit dem Einfangen müsse man sich auf jeden Fall beeilen, sagt Musterer. Das gehe nämlich nur über eine Biberfalle, in die die Tiere von allein reingehen müssten und könne schon mal einige Tage dauern. Wenn die Jungen da sind, werde es noch schwieriger, weil diese die ersten Wochen im Bau verbringen. Er hoffe bloß, dass diesmal alle Naturschutzregeln eingehalten werden. »Ich habe ein Auge darauf. Ich gehe jeden Tag mit dem Hund dort lang.«
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