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Exmatrikulationen in Berlin: Warnung vor Schnellschüssen
Koalitionsspitzen wollen Universitäten Exmatrikulationen aus Ordnungsgründen ermöglichen
In der Debatte um mögliche Exmatrikulationen nach dem Angriff auf einen israelischen Studenten durch einen Kommilitonen verdichten sich die Zeichen auf eine Änderung des Hochschulgesetzes. Aus der CDU waren bereits kurz nach dem brutalen Angriff am Freitag Forderungen laut geworden, das sogenannte Ordnungsrecht an den Hochschulen wiederherzustellen, mit dem Studierende für Verfehlungen exmatrikuliert werden könnten. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schloss sich diesen Forderungen am Mittwochabend an. »Wir müssen den Hochschulen Instrumente an die Hand geben, damit sie konsequent handeln können«, so Wegner auf der Plattform X. »Wenn dazu eine Änderung des Hochschulgesetzes erforderlich sein sollte, werden wir darüber sprechen.« Auch von der SPD-Spitze kamen entsprechende Signale: »Wenn uns an den Hochschulen für den Schutz von Jüdinnen und Juden die rechtlichen Mittel fehlen, müssen wir nachschärfen«, schrieb die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey bei X.
Das angesprochene Ordnungsrecht wurde 2021 mit der Novelle des Hochschulgesetzes durch den damaligen rot-grün-roten Senat abgeschafft. Es sah vor, dass bei schwerwiegenden Verfehlungen von Studierenden ein Gremium einberufen wird, das Sanktionen bis hin zur Exmatrikulation aussprechen kann.
Sorgten also »Grüne und Linke dafür, dass der Schläger nicht von der FU fliegen kann«, wie die »Berliner Zeitung« titelt? Die Wahrheit ist komplexer. In dem aktuellen Fall wäre auch mit dem alten Instrument eine Exmatrikulation nur schwer durchzusetzen gewesen: Die Liste möglicher Ordnungsverstöße im bundesweiten Hochschulrahmengesetz, auf das das Berliner Hochschulgesetz verwies, wurde bereits vor längerer Zeit gestrichen. Auch davor beschränkten sich die Regelungen auf Störungen des Lehr- und Forschungsbetriebs. Gewalt war nur sanktionierbar, wenn das Opfer dadurch »von der Ausübung seiner Rechte und Pflichten abgehalten wird«. Die hohen Anforderungen trugen offenbar dazu bei, dass es bundesweit nur ausgesprochen selten zu Exmatrikulationen aus Ordnungsgründen kam.
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Auch jetzt gibt es rechtliche Bedenken gegenüber einer Wiedereinführung des Ordnungsrechts. »Ich bin da skeptisch«, sagt Marcel Hopp, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zu »nd«. Eine Exmatrikulation bedeute für die Betroffenen eine Einschränkung des grundgesetzlich verankerten Rechts auf freie Berufswahl. Vor Gericht könnten sie daher angreifbar sein. »Es ist wichtig, dass wir handeln, aber es muss auch gründlich geprüft und sinnvoll sein – und kein Schnellschuss«, so Hopp.
Er halte die Debatte, wie jüdische Studierende an den Universitäten besser geschützt werden können, für wichtig. »Man sollte sich aber vergegenwärtigen, dass es bereits Instrumente gibt«, sagt Hopp. Die Universitätsleitung könne bereits jetzt Hausverbote aussprechen. »Davon sollte bei antisemitischen Vorfällen konsequenter Gebrauch gemacht werden.«
FU-Präsident Günter M. Ziegler hat bereits angekündigt, ein Hausverbot gegen den Schläger verhängen zu wollen. »Unabhängig davon unternimmt die Freie Universität alles in ihrer Kraft Stehende, um eine Bedrohung von jüdischen Studierenden auf dem Campus zu verhindern«, heißt es weiter in einer Pressemitteilung. Eine mit FU-Interna vertraute Quelle sagt im Gespräch mit »nd«, dass sich im Präsidium inzwischen die Erkenntnis durchsetze, dass die Situation zu lange unterschätzt wurde. Man wolle das Hausrecht auch in anderen Fällen künftig strenger auslegen und keine Räume mehr für Gruppen, die unter Antisemitismus-Verdacht stehen, zur Verfügung stellen.
Auch Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sieht das Hausrecht als eine wichtige Stellschraube. »Wir müssen die Hochschulen befähigen, da einzugreifen«, sagt Schulze. Das aktuell noch auf drei Monate befristete Hausverbot könne erweitert werden. Bereits jetzt könnten die Universitäten bei der internen Kursvergabe sicherstellen, dass Täter und Opfer nicht in denselben Seminaren sitzen. »Wir müssen auch den Lehrenden Mittel in die Hand geben, Grenzen zu setzen«, so Schulze. Sie sollten mehr Möglichkeiten bekommen, Täter von Lehrveranstaltungen auszuschließen. Profitieren würden davon nicht nur Opfer von Antisemitismus, sondern auch Betroffene sexualisierter Gewalt.
Dass das Opfer der Schläger-Attacke wenig Empathie von den Teilnehmern einer propalästinensischen Kundgebung vor der FU-Mensa am Donnerstag erwarten könnte, war wohl schon im Vorfeld klar. Zu der Demonstration »gegen die selektive Solidarität der Universitätsleitung« hatten kurz nach der Attacke Gruppen aus dem maoistischen und trotzkistischen Spektrum aufgerufen. »Wir verurteilen jeden gewaltsamen Übergriff«, antwortete eine Sprecherin des »Palästina-Solidaritätskomitees« knapp auf Fragen von Journalisten.
Diese Linie scheint nicht bei allen angekommen zu sein. »Ich bin stolz auf meine kriminiellen Freunde«, rief ein Redner unter dem Jubel der etwa 40 Anwesenden.
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