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Präsidentschaftswahlen Indonesien: Beste Chancen für den General
Bei Indonesiens Präsidentschaftswahlen ist der Verteidigungsminister Prabowo Subianto der Favorit
Die Tage von Joko Widodo, den seine Landsleute zumeist mit seinem Spitznamen Jokowi nennen, im indonesischen Präsidentenpalast sind gezählt. Im Oktober wird er sein Amt an einen Nachfolger übergeben, über den am Mittwoch ebenso abgestimmt wird wie über das Parlament und die Vertreter auf regionaler Ebene. Zehn Jahre hat er die größte mehrheitlich muslimische Nation geführt und Indonesien mehr als zuvor als wichtigen Akteur auf der geopolitischen Ebene verankert – sei es als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich stärkstes Mitglied des regionalen Zehnerbundes Asean oder im Rahmen der G 20, in welcher der Inselstaat 2022 den Vorsitz führte. Eine unabhängige, eher auf Kooperation statt neue Konfrontation gerichtete Außenpolitik war eines der Markenzeichen des scheidenden Präsidenten, der sich zudem als eine starke Stimme des globalen Südens zu inszenieren versuchte.
Menschenrechte unter Druck
Gerade in seiner zweiten Amtszeit habe sich Joko Widodo innenpolitisch stark dem konservativen Lager angedient, beklagen Kritiker nicht nur aus der Menschenrechtsbewegung. Doch sein im Kern unbestreitbar eher liberales Erbe der vergangenen Dekade, ja die demokratischen Errungenschaften insgesamt seit dem Sturz des früheren Diktators Mohammed Suharto 1998 sind in Gefahr, befürchten nicht wenige. Dann nämlich, sollte der klare Favorit, der bisherige Verteidigungsminister Prabowo Subianto, tatsächlich neuer Staatschef werden. Die zentrale Frage ist weniger, ob er am Mittwoch gewinnt, sondern vielmehr, ob es ein – womöglich denkbar knapper – Durchmarsch schon in der ersten Runde wird oder eine Stichwahl der beiden Erstplatzierten am 27. Juni nötig ist. Die jüngsten Umfragen sahen den 72-jährigen Ex-General, der sich in seiner aktiven Dienstzeit bis 1999 als Chef der berüchtigten Spezialeinheit Kopassus mutmaßlich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat, bei 51 bis 52 Prozent. Seine beiden Gegenkandidaten, die unverändert rund um die 20-Prozent-Marke dümpeln, dürften ihn bei diesem Abstand kaum mehr einholen können. Dabei handelt es sich um den ehemaligen Gouverneur von Jakarta, Anies Baswedan, und den früheren Gouverneur von Zentraljava, Ganjar Pranowo.
Wer im Falle einer Stichwahl gegen den favorisierten Prabowo Subianto antreten darf, ist die spannende Frage. Ganjar Pranowo ist der Kandidat der Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P), der bisher auch Widodo angehörte. Dieser hofft jetzt aber auf einen Sieg des 2014 und 2019 gegen ihn unterlegenen General Prabowo, der mit Widodos ältestem Sohn Gibran Rakabuming Raka als Vizepräsidentschaftskandidaten ins Rennen geht. Der formal unabhängige Anies ist dritter Anwärter auf das Spitzenamt. Ganjar und Baswedan, beide Mittfünfziger, verfügen zwar über einzelne moderat konservative Parteien in den sie unterstützenden Bündnissen. Doch hinter General Prabowo steht eine reaktionäre Allianz, zu der unter anderem Golkar, die Staatspartei unter Suharto, gehört. Eine nennenswerte Linke gibt es nicht – ein Resultat des Vernichtungsfeldzugs gegen die Kommunisten der PKI nach dem Putsch 1965/66.
Jungwähler sind die umworbene Gruppe
Rund ein Drittel der derzeit 205 Millionen Wahlberechtigten ist jünger als 30 Jahre; alle unter 40 bilden sogar eine knappe Mehrheit. Jungwähler sind eine besonders umworbene Gruppe, da sie wahlentscheidend sein könnten. Bisher, so Noory Okthariza vom Centre for Strategic and International Studies gegenüber dem »Guardian«, sei aber offenbar keiner der drei Präsidentschaftsanwärter mehr als die anderen mit dieser Altersgruppe verbunden – trotz allen Wahlkampfs auch über die sozialen Medien.
Mit einen Wachstum von 5,05 Prozent ist Indonesiens Wirtschaft 2023 knapp hinter den Erwartungen der derzeitigen Regierung zurückgeblieben. Dennoch übernimmt der neue Präsident eine der am robustesten wachsenden Ökonomien Asiens. Die Inflation liegt zurzeit nur bei drei Prozent, die Auslandsinvestitionen nahmen im Vorjahr um 13,7 Prozent auf 47 Milliarden US-Dollar zu. Zum Wachstum für dieses Jahr trägt mit massiven Ausgaben wohl nicht zuletzt die Wahl selbst bei, die in der Organisation durch staatliche Stellen und den Wahlkampf der 18 Parteien schon umgerechnet über 1,5 Milliarden US-Dollar gekostet haben soll und damit Nachfrage erzeugt hat. Die Arbeitslosigkeit ist zwar auf 5,32 Prozentpunkte gesunken. Pro Jahr drängt aber eine Million junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt. In ausreichender Zahl weitere Jobs zu schaffen, haben deshalb alle drei Kandidaten versprochen.
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